Erster Erfolg für das Bürgerbegehren gegen den Verkauf des Bethanien: Das Kreuzberger Kunsthaus geht vorerst nicht an den Liegenschaftsfonds. Gemeinsam mit Anwohnern und Nutzern will der Bezirk ein neues Konzept für das Haus erarbeiten
Einen ersten großen Erfolg konnte das Bürgerbegehren gegen die Privatisierung des Bethanien am Mittwochabend feiern: Mit der Dreiviertelmehrheit von Linkspartei.PDS, SPD und Grünen beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg, die „geplante Abgabe des Hauptgebäudes Bethanien an den Liegenschaftsfonds mindestens bis zum Abschluss des Bürgerbegehrens auszusetzen“. Zudem soll in einem moderierten Prozess gemeinsam mit den Anwohnern, der Initiative Zukunft Bethanien (IZB) und „weiteren lokalen Akteuren“ ein neues Nutzungskonzept für das Bethanien als „Haus für Kunst, Kultur, soziokulturelle Angebote und kulturnahe Dienstleistungen“ erarbeitet werden. Ein Antrag der CDU auf sofortige Räumung der als „New Yorck 59“ besetzten Etagen des Südflügels lehnten die Abgeordneten als „unrealistisch“ ab.
„Wir freuen uns, dass die BVV nun auch da angekommen ist, wo wir vor sechs Monaten unser Bürgerbegehren begonnen haben“, kommentierte Simone Kypke von der IZB die Entscheidung. De facto ist damit der von allen Parteien der BVV getragene Beschluss, das Bethanien zu einem „Internationalen kulturellen Gründerzentrum“ zu entwickeln und an einen privaten Investor zu verkaufen, vom Tisch. Dieser, die M & R Arend GmbH aus Bad Homburg, die Kulturevents veranstaltet wie zum Beispiel das Musical „Cats“ in Bremen, droht gegenüber Wirtschaftsstadtrat Lorenz Postler (SPD) bereits mit Schadensersatzforderungen.
Auch wenn stellenweise die Formulierungen des BVV-Antrags fast wörtlich der Begründung des Bürgerbegehrens entnommen sind, ist dieses noch nicht überflüssig. Denn in ihrer Unfähigkeit zuzugeben, vor drei Jahren eventuell eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, ließen die Abgeordneten vieles im Vagen. So verkaufte man den neuen Beschluss als „Änderungsantrag“ zur alten Entscheidung.
Für Aufregung sorgte während der fast vierstündigen Sitzung zum Thema Bethanien zudem ein Auftritt von Christoph Tannert, des Geschäftsführers der im Haus ansässigen Künstlerhaus Bethanien GmbH. Neben seinen Vorstellungen von „professioneller Kultur“ sprach er vom „parasitären Selbstverwirklichungsprogramm der Hausbesetzer“. Für seine Rede erhielt er nicht nur von der CDU, sondern auch von etwa zwei Dritteln der Abgeordneten der Linkspartei.PDS Beifall. Im Juni hatten ehemalige Bewohner des linken Hausprojekts in der Yorckstraße 59 Teile des Bethanien besetzt.
Dagegen rangen sowohl SPD als auch Grüne spitzfindig um Formulierungen, in denen die „New Yorck 59“ noch eingebunden ist. Sind mit „gegenwärtigen legalen Nutzern“ oder „weiteren lokalen Akteuren“ auch die Besetzer gemeint? Hintergrund für die Formulierungskünste: Am kommenden Montag beginnen die Verhandlungen um einen Nutzungsvertrag für den besetzten Südflügel zwischen IZB und Bezirksamt.
Bedeckt hielten sich alle Parteien auch mit neuen Vorschlägen zur Bewirtschaftung des Bethanien. Vielleicht hat Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (Linkspartei.PDS) bis zum 29. November „einen Ausweg“ gefunden. An diesem Abend trifft sich um 19 Uhr ein erster öffentlicher runder Tisch zur Zukunft des Bethanien mit den verschiedenen Nutzern des Hauses, Vertretern der IZB sowie des Bezirksamts in der St.-Thomas-Kirche auf dem Mariannenplatz.
Von Christoph Villinger
Quelle: taz Berlin lokal vom 25.11.2005, Seite 24