Öffentlich-private Partnerschaften: Kritik einfach „weggestimmt“

Bild: Jürgen Thierfelder
Bild: Jürgen Thierfelder

Am Freitag, dem 5.12., wurde im Bundestag in einer Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses das Thema Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP, auch Public Private Partnership, PPP) behandelt. Den Anlass dazu bot ein Gutachten des Bundesrechnungshofs vom Juni 2014. In diesem wurde nachgewiesen, dass die ÖPP-Variante für fünf von sechs damals untersuchten Autobahnen 1,9 Milliarden Euro Mehrkosten für SteuerzahlerInnen verursachen. Der Hauptgrund dafür liegt darin, dass die Kredite, die private Partner für diese Projekte aufgenommen haben, viel teurer sind als wenn die öffentliche Hand, also im Fall der Autobahnen der Bund, die Kredite selbst aufgenommen hätte. Diese Berechnungen wurden ein paar Wochen später vom Verband der Deutschen Bauindustrie kritisiert. Das verwundert aber nicht, denn Hochtief, Strabag oder Bilfinger Berger, die zu den größten Verbandsmitgliedern gehören, sind auch die wichtigsten Auftragnehmer bei ÖPP. Im Oktober erstellte dann auch das Bundesverkehrsministerium ein Gegengutachten, in dem es ÖPP, genauso wie der BDI, gegen die Kritik des Bundesrechnungshofes verteidigt. Zum Beispiel heißt es darin:

Die … vom Bundesrechnungshofs abgeleiteten Mehrkosten … werden weder durch die Realität gestützt … noch überzeugen sie methodisch.“ Weiterlesen

Wider die privatisierungsförmige Zersetzung des öffentlichen Bibliothekswesens

Berlin: Wer es sich nicht leisten kann, jedes interessante Buch selbst zu kaufen, könnte demnächst Pech haben und selbst in der öffentlichen Stadtbibliothek auf irgendwelchen Bestsellerlisten-Trash verwiesen werden – immerhin ohne Wartezeit. Die taz berichtete unter dem Titel „Bibliothek der Bestseller“: Die Zentrale Landesbibliothek will ihre Beschaffungspolitik ändern. Nicht mehr festangestellte Fachlektorate vor Ort sollen die Bücherbestellungen besorgen, sondern eine mittlerweile mehrheitlich im Eigentum einer privaten Verwertungsgesellschaft befindliche Reutlinger GmbH mit Namen ekz. Letztere hat ihren Ursprung zwar 1947 in einem Kooperationsunternehmen von Bibliotheksträgern der öffentlichen Hand. Allerdings ist davon heute nicht mehr viel übrig, seitdem in den frühen 1990ern ein schleichender Privatisierungsprozess die ekz umstrukturiert hat. Heute macht sie aus der Bücherbeschaffung ein profitables Geschäft – und schlägt dabei Bibliotheken bundesweit und im Ausland über ihren Leisten. Die Demokratie braucht allerdings nach wie vor mündige Bürger in offener Debatte über unterschiedliche Meinungen. Ob eine Gleichschaltung des Bibliotheksangebots über die Verbetriebswirtschaftlichung der Bücherbeschaffungspolitik dazu beiträgt, ist mehr als fraglich. Den Weg zur demokratischen Bibliothek hingegen skizziert eine in Form und Inhalt vorbildliche Masterarbeit. Der kommerziellen Logik und der Steuerung über Ausleihzahlen setzen die beiden Autoren die menschenrechtliche Orientierung eines Bibliotheksbetriebs als Bildungsprojekt entgegen:

Spannend für mich war vor allem das Herausschälen der Grundlage, auf der jede Schulungseinheit zur Medienkompetenzförderung fußen sollte: nämlich auf den Menschenrechten. Man kann ja einen Text, sagen wir von Bushido, inhaltlich nur dann kritisieren, wenn man weiß, an welchen ethisch-moralischen Normen ich die Prüfung stattfinden lasse. Das ist der oft bemühte “Springende Punkt”. Die Bibliothekswissenschaft hat diesen wesentlichen Faktor leider noch nicht entdeckt. Vielleicht ja jetzt.“

Tallinn: Kostenloser öffentlicher Verkehr

reevolution_banner-600x145Seit Januar ist Tallinn, Estland, die erste Hauptstadt in der EU mit kostenlosem öffentlichen Personennahverkehr (vgl. die Liste aller Städte mit kostenlosem ÖPNV weltweit). Alle Bürger der Stadt können sich für zwei Euro registrieren lassen und fahren dann kostenlos. Seit die Bürger der Stadt zum Nulltarif fahren können, ist der Autoverkehr im Zentrum von Tallinn bereits um 15 Prozent zurückgegangen. Nun überlegen auch andere Städte, Gratis-Öffis einzuführen. Gerade fand eine internationale Konferenz zum Thema kostenloser ÖPNV in Tallinn statt, unter Beteiligung einer kleinen Delegation der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mehr: Wer in Tallinn lebt, fährt gratis mit Öffis – Öffentlicher Verkehr – derStandard.at

Nachtrag 3.9.: Das Haar in dieser Suppe ist allerdings der Zwang zur personalisierten Anmeldung in Kombination mit dem elektronischen Ticketsystem. Beides zusammen ergibt ein perfektes Mobilitätsüberwachungssystem. Die Internetkonzerne machen vor, wie viel Geld mit personalisierten Datensammlungen zu machen ist. Es lässt sich also zuspitzen: In Tallinn zahlen die Bürger ihre Fahrten nicht mehr mit Geld, sondern mit Daten. (Nebenbei: Verkehrsflussoptimierung lässt sich sehr wohl auch ohne die Personalisierung der Daten optimieren.) Und die Enthüllungen über die Internetüberwachung von NSA und Co. zeigen, wie durchlässig die Grenzen zwischen der Datensammlerei durch (private) Infrastrukturbetreiber und Geheimdiensten sind. Staatliche Kontrolle bekommt auf der Basis personalisierter Erfassung von Mobilitätsverhalten eine neue Qualität. Übertragen auf deutsche Verhältnisse wären durch ein derartiges „kostenloses“ System die gleichen Gruppen ausgeschlossen vom „öffentlichen“ Verkehr, die es auch schon heute sind, wenn die Dinge über Geld geregelt werden, z.B. HartzIV-Menschen, die vor Ort dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen haben und Flüchtlinge, die per Residenzpflicht in einer Kommune gefangen sind. Das Tallinner Beispiel wird nur dann in einer emanzipatorischen Richtung transformatorisch wirken, wenn der eklatante Konstruktionsfehler der personalisierten Mobilitätserfassung benannt und kritisiert wird.

25.2.: Wasserkonferenz in Wien

waterDie Versorgung mit Wasser wird in Zeiten der Globalisierung, zunehmender internationaler Verflechtungen sowie des Klimawandels immer wichtiger. Der Zugang zu sauberem und leistbarem Trinkwasser entscheidet mit über Lebenschancen und stellt daher eine der zentralen Herausforderungen unseres Jahrhunderts dar. Die Vereinten Nationen haben schon 2010 den Anspruch auf sauberes Wasser als allgemeines Menschenrecht festgeschrieben (vgl. Hintergrund).

Weiterlesen in der Einladung zur Konferenz der Arbeiterkammer Wien mit dem Titel „Die Zukunft der Wasserversorgung. Der Zugang zu Wasser im Spannungsfeld zwischen Öffentlichem Gut, Menschenrecht und Privatisierung“. Siehe auch das PDF-Programm

Reanimierung?

Portugal PrivatDass es bei Privatisierung eben nicht um die Reanimierung heruntergekommener öffentlicher Unternehmen und Dienste geht, zeigt der Kauf des portugiesischen Flughafenbetreibers ANA durch den französischen Bau- und Infrastrukturkonzern Vinci, der jetzt dafür 3,08 Milliarden Euro bezahlte.  Vinci betreibt bislang Regionalflughäfen in Frankreich und Kambodscha.

„ANA galt für die Bieter deshalb als so interessant, weil der Staatsbetrieb profitabel ist und seine Flughäfen wichtige Drehkreuze in Ferienregionen sind“ (FAZ v. 28.12.2012) –

es geht um die Kontrolle des Tourismusverkehrs in die Algarve, nach Alentejo und auf die Azoren und um die Flughäfen in Porto und Lissabon. Bei der neuen Privatisierungswelle auch in Griechenland geht es vor allem um Tafelsilber.

Vorrang fürs Öffentliche schaffen

Bis der Markt die ökologischen Wahrheiten abbildet, sind wir längst tot. Der Übergang in eine ökologisch angepasste Wohlstandsproduktion muss öffentlich gesteuert, geplant, reguliert, initiiert, vorangetrieben werden. Dies muss sich institutionell abbilden in öffentlichem Eigentum, ökologischen Entwicklungsinstitutionen, aber auch in einer breiten Ausdifferenzierung kommunaler, gemeinschaftlich-genossenschaftlicher und privat-kollektiver Eigentums- und Organisationsformen.
Weiterlesen in der Zeitschrift LuXemburg

Reclaim Public Services: Rückkehr des Öffentlichen

„Mehr privat, weniger Staat“ galt lange als Motto für die in den 80ern losgetretene Euphorie zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Doch je mehr die Finanzkrise auch zur Wirtschaftskrise wird, desto lauter wird auch der Ruf nach mehr öffentlicher Verantwortung und sozialer Sicherheit in der Grundversorgung für Bereiche wie etwa Wasser, Energie und Gesundheit. Vor diesem Hintergrund widmete sich vor zwei Wochen die gemeinsam mit dem Karl-Renner-Institut veranstaltete Tagung der Arbeiterkammer Wien aktuellen Entwicklungen in der Binnenmarkt- und Freihandelspolitik der EU. Mehr lesen

Privatisierungsdiktat der EU-Kommission

Die EU-Kommission macht keinen Hehl daraus, dass sie die Schuldenkrise dazu nutzen will, um EU-weit die Privatisierung öffentlicher Dienste voranzutreiben. Dazu heißt es in einem Schreiben der EU-Generaldirektion vom 26. September 2012, das der Tageszeitung Neues Deutschland vorliegt: »Wie Sie wissen, trägt die Privatisierung öffentlicher Betriebe sowohl zur Verringerung der öffentlichen Schulden, als auch öffentlicher Subventionen… bei.« Die Kommission »glaubt, dass die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge, einschließlich der Wasserversorgung,« nützlich für die Gesellschaft sein kann, wenn sie »sorgsam durchgeführt« werde und »geeignete Regelwerke gegen den Missbrauch durch private Monopole bestehen«. Dagegen wendet sich eine transnationale Initiative: „Wasser ist ein Menschenrecht“. Mehr lesen im ND

Open Source Transformation: Behörden werden Peers

In Italien ist der Kauf proprietärer Software den Behörden neuerdings nur noch in Ausnahmefällen erlaubt, und zwar wenn eine technische und ökonomische Analyse zu dem Ergebnis kommt, dass weder bereits selbst entwickelte Software noch eine Open-Source-Lösung den gewünschten Zweck zu einem niedrigeren Preis erfüllen kann. In Frankreich erlässt der Ministerpräsident eine ähnliche Maßnahme: Die Behörden auf allen Ebenen sind aufgefordert, wo immer möglich Open-Source-Software zu verwenden. Bei der Anschaffung und Entwicklung neuer Programme oder Programmversionen sollten freie Alternativen systematisch mit einbezogen werden. Hier geht es ausdrücklich um mehr als nur die billigere Software-Lösung: Der französische Regierungschef empfiehlt seinen Verwaltungen, Open-Source-Know-how aufzubauen, mit Communities zusammenzuarbeiten und selbst entwickelten Programmcode zu Projekten beizutragen. Auch in Spanien und in Island gibt es Open-Source-Initiativen in der öffentlichen Verwaltung. In Deutschland arbeiten Sachverständige im Bundestag daran, wenigstens die systematische Benachteiligung von Open Source – etwa durch das Vergaberecht – abzubauen. Weiterlesen

Die Partei „Die Linke“ bricht auf: Mit dem Öffentlichen und Gemeingütern gegen Privatisierung und die drei U

Auf der Homepage der Linkspartei kündigen die neuen Vorsitzenden ihr Vorgehen für die nächsten Wochen an. Zentraler Punkt ihres Schreibens „Den Aufbruch organisieren“: Eine Offensive für das Öffentliche:

Durch die Veränderungen der Arbeitswelt verändert sich auch der Blick auf die soziale Frage. Zunehmend wird die soziale Frage mit einem individuellen Recht des Menschen auf Teilhabe am politischen, sozialen und kulturellen Leben verbunden. Die Bereitstellung des Lebensnotwendigen – der Gemeingüter, Commons – entwickelt sich zur neuen sozialen Idee im Kapitalismus des 21. Jahrhundert. Die Eliten in Wirtschaft und Politik führen stattdessen einen Feldzug gegen das Öffentliche und für Privatisierungen. Während die Verluste der Banken und der Finanzwirtschaft sozialisiert werden, werden seit Jahrzehnten profitable öffentliche Unternehmen privatisiert. 

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Neues Buch aus dem FORBA-Kontext

Ein neuer Sammelband aus dem PIQUE-Projektzusammenhang im Hause FORBA:

„Public services throughout Europe have undergone dramatic restructuring processes in recent years in connection with liberalization and privatization. While evaluations of the successes of public services have focused on prices and efficiency, much less attention has been paid to the impacts of liberalization and privatization on employment, labor relations, and working conditions. This book addresses this gap by illustrating the ways in which liberalization has contributed to increasing private and foreign ownership of public services, the decentralization of labor relations has amplified pressure on wages, and decreasing employment numbers and increasing workloads have improved productivity partly at the cost of service quality.“

Weiterlesen beim Verlag

Gewinnmaximierung oder Ethik

Es hängt zunehmend von der Unternehmenspolitik eines Krankenhauses ab, ob Menschen in medizinischen Notsituationen sinnvoll versorgt werden, um so ihr Überleben zu sichern, oder nicht. Der lesenswerte Artikel „Ende der Schweigepflicht“ lässt 5 Ärzte und Ärztinnen über ihre Arbeitsalltage berichten. So ist die Uhrzeit der Einlieferung entscheidend, denn daran hängt, ob der möglicherweise lebensrettende Apparat noch eingeschaltet ist und fachkundig bedient werden kann. Oder die Behandlungsdauer wird unabhängig vom Wohlbefinden des_der Patient_in festgesetzt. Oder künstliche Gelenke werden entsprechend der gesetzten Norm eingebaut. Weiterlesen

Britische Bahn: Teuer und ineffizient

Ein interessanter Beitrag zur privatisierten Bahn in Großbritannien der im Zusammenhang mit den neusten geäußerten Privatisierungsplänen des Premier Cameron gestern auf orf.at erschienen ist und der durchaus Parallelen zur Entwicklung in Deutschland erkennen lässt, auch wenn die Deutsche Bahn hierzulande (noch) nicht im selben Umfang wie anderswo privatisiert wurde:

Teuer und ineffizient

Geschätzte 2.000 Firmen sorgen derzeit dafür, dass die britische Bahn täglich Millionen Passagiere befördert. Der Fleckerlteppich ist zugleich ein Scherbenhaufen: Rund 16 Jahre nach der Privatisierung bleibt die Bahn ein Sorgenkind der Regierung. Sie ist sowohl für den Staat als auch für die Fahrgäste teurer denn je. Die Regierung Cameron will nun den nächsten Anlauf für Reformen nehmen.

Vor der Privatisierung betrugen die staatlichen Kosten für die Bahn im Zeitraum 1992/93 mit 2,2 Milliarden Pfund ihren Höchstwert. Nach der Privatisierung blieben die Kosten mit ein bis zwei Milliarden etwa konstant – ab 2001 explodierten sie aber: 2006 waren es 6,3 Milliarden Pfund, im Vorjahr waren es vier. Hauptbestandteil sind direkte Zuschüsse an die Betreiber, dazu kommen Mittel aus der Regionalförderung. […] weiterlesen

Inklusive Hochschulpolitik (und illegalisierte Migration)

Die bundesdeutschen Hochschul-(Konter-)Reformer orientieren sich gern an den US-amerikanischen Eliteuniversitäten: Exzellent, exklusiv und teuer soll es bitteschön sein! Dabei wird gern vergessen, dass die ach-so elitären US-Hochschulen durchaus auch Inklusionspolitik für Studierende aus dem ‚gemeinen Volk‘ betreiben. Und manchmal sogar für Studierende, die (auf dem Papier) nicht einmal zu diesem gehören.

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