Mascha Madörin – feministische Ökonomin [Rezension]

Von Brigitte Kratzwald, Graz (www.commons.at)

Zum ersten Mal hörte ich den Namen Mascha Madörin in Zusammenhang mit dem Begriff Care. Von da an war sie oft meine Referenz, wenn es um das Ausmaß und die gesellschaftliche Bedeutung der unbezahlten Arbeit ging. Aber der Horizont und der Arbeitsbereich von Mascha Madörin waren viel weiter. Sie begann in der Entwicklungspolitik und erlebte in Südafrika und Mozambique nicht nur die Auswirkungen der Apartheidpolitik, sondern auch die Probleme nachkolonialer Ökonomien. Sie war Mitbegründerin der Anti-Apartheidbewegung und kritisierte früh die neoliberalen Entwicklungsprogramme der Weltbank. Anschließend beschäftigte sie sich mit dem Finanzplatz Schweiz und gründetet die gleichnamige Aktionsplattform. Schon früh erkannte sie die Bedeutung der Finanzindustrie und ihre enge Verknüpfung mit vielen anderen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen. Seit den 1990er Jahren schließlich gehörte sie zu den Wegbereiterinnen einer feministischen Ökonomie.

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Beispiele solidarischer Ökonomie in Berlin [Rezension]

Dieses Buch stellt fünf mehr oder minder bekannte Beispiele aus der solidarischen Ökonomie Berlins näher vor. Die AutorInnen schreiben aus einer Perspektive teilnehmender Beobachtung und mit Sympathie. Sie schreiben über das Selbstverständnis, sowie die kulturelle und konkrete ökonomische Praxis dieser Projekte. Dies sind die Prinzessinnengärten, FairBindung, Freifunk, der Umsonst- und der Leihladen sowie der Nachtclub ://about blank. Der letztgenannte soll eine der größten alternativ-ökonomischen Einrichtungen in Berlin sein, da dort derzeit fast 130 Personen in unterschiedlichen Volumina arbeiten. FairBindung versucht seit über sieben Jahren den Import von fairen Produkten, vor allem Kaffee aus dem globalen Süden mit Bildungsarbeit zu verknüpfen.
Das Buch entstand aus einem Seminar im Wintersemester 2015/16 an der Humboldt-Universität zu Berlin, und die meisten AutorInnen sind PhilosophInnen. Das ist den Beiträgen anzumerken. Was das Vorwort will, in dem der Begriff der »Lebensform« ein- und näher ausgeführt wird, hat sich mir leider nicht erschlossen. Weiterlesen

Reader zu nichtkommerziellen Projekten

Alternativen zum warenproduzierenden Patriarchat sind, das zeigt nicht nur die DIY-Welle, die längst die Massenmedien erreich hat, dringend nötig. Sie liegen sozusagen in der Luft. Die Praxis solcher radikal-alternativer Ansätze ist, das zeigen viele Experimente und Projekte, allerdings sehr steinig.

In der Kritik, dass auch die „solidarische Ökonomie“ und Tauschringe noch auf dem (kapitalistischen) Prinzipien des Tausches beruhten, fordern die Anhänger_innen einer nichtkommerziellen oder Beitragsökonomie (NK) ein „Wirtschaften“ jenseits des Tausches. Dies klingt radikal und viele der Beiträge in dem nun vorliegenden, umfangreichen Reader, der die Erfahrungen der letzten zehn Jahre dokumentiert, zeugen von einem hohen Niveau an (Selbst-)Reflektion. Allein es wird nicht recht klar, was nun konkret erreicht wurde. Es wird jenseits der theoretischen Artikel, etwa zu Keimformen, Peercommony und anderem, kaum deutlich, was wirklich verändert oder neu initiiert wurde, und in welchem Umfang. Einige Beiträge reflektieren dann auch darüber, dass auch NK-Projekte auf Überschüssen (Lohnarbeit, Spenden und andere Transfers, …) des formalen und Lohnarbeitssektors beruhen.

Die Texte für sich sind spannend zu lesen, zeigen aber nachdrücklich, dass die NK-Versuche eher im Hobby- und Freizeitbereich anzusiedeln sind und auf Spenden beruhen. Ein umfangreiches und ebenso hilfreiches Glossar erklärt viele Begriffe aus dieser Debatte, zeigt aber auch, wie voraussetzungsvoll diese ist.

Bernd Hüttner

Ich tausch nicht mehr. Ich will mein Leben zurück. Theorie und Praxis von nichtkommerziellen Projekten, Berlin 2015, 144 Seiten, gegen Spende oder als PDF unter http://ich-tausch-nicht-mehr.net. Die Artikel sind dort auch einzeln abrufbar.

8. März: Für gute Sorge und gutes Leben für alle statt der üblichen Frauentagsrituale

Care Revolution – für ein gutes Leben für alle

care_revo_logoAm internationalen Frauenkampftag, dem 8. März, beteiligen wir uns als Aktivist_innen des bundesweiten Netzwerkes Care Revolution an Aktionen und Demonstrationen in vielen bundesdeutschen Städten. Wir setzen uns an diesem Tag, an dem sich seit 1911 Frauen auf der ganzen Welt gegen Ausbeutung und Unterdrückung wehren, für eine Welt ein, in der ein gutes Leben für alle möglich ist – ohne jemanden auszuschließen und nicht auf dem Rücken anderer.

Den Aufruf weiterlesen und als PDF downloaden auf http://care-revolution.org.

Widerspruch Heft 64 fragt: Agrobusiness oder Agrarkultur?

Die UNO hat 2014 zum „Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe“ erklärt: „Ziel ist es, das internationale Bewusstsein für landwirtschaftliche Klein- und Familienbetriebe zu stärken und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bei ihrem Beitrag zur Reduktion von Hunger und Armut zu unterstützen.“ Seit dem Weltagrarbericht von 2008 ist bekannt, dass die Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft deutlich höher ist als die agroindustrielle Produktion. Außerdem schafft sie viel mehr Arbeitsplätze. Trotzdem geht die Landwirtschaftspolitik in der Schweiz und in Europa (GAP) permanent in Richtung Konzentration der Produktion in mechanisierten Großbetrieben. Täglich müssen Bauernhöfe aufgegeben werden, obwohl Bauer und Bäuerin – oft in einer Care-Doppelbelastung – sich bis zum Äußersten abrackern. Die Texte im ersten Teil des aktuellen Heftes von WIDERSPUCH. Beiträge zur sozialistischen Politik belegen diese Probleme eindrücklich.

Gesucht sind Alternativen. Ernährungssouveränität hat längst auf die Städte übergegriffen. Ob dabei das Urban Gardening neue Perspektiven eröffnet, hängt wesentlich davon ab, inwiefern es gelingt, solche neue Formen der Nahrungsmittelproduktion in einen weiteren gesellschaftlichen Kontext einzubeziehen. Letztlich, so der Tenor dieses lesenswerten Heftes, können Hunger und Unterernährung nur durch eine partizipative, demokratische Mitbestimmung über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nahrungsmittelproduktion überwunden werden.

Widerspruch 64, Ernährung – Agrobusiness oder Agrarkultur, 208 S., 18 EUR, www.widerspruch.ch

Wandel und Zukunft der Arbeit in der Landwirtschaft

agrarbuendnis

Der Zwang zum Wachstum, Konkurrenz und Arbeitshetze sind in der ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft in den letzten Jahren stärker geworden. Die Frage danach, wer unter welchen Bedingungen die Produktions- und die Care-Arbeit in der ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft macht, wird immer drängender. Schon vor mehr als einem Jahr fand in Kassel eine Tagung satt, als deren Ergebnis das Agrarbündnis, ein Zusammenschluß von zwei Dutzend Organisationen (Liste), Ende 2013 dann ein spannendes Thesenpapier (PDF) publiziert hat. Quintessenz: Die Arbeitsbedingungen in der alternativen Landwirtschaft müssen dringend verbessert werden, wenn nicht irgendwann auch dort angesichts miserabler Löhne und gestiegener Arbeitshetze ein „Nachwuchsproblem“ eintreten soll.

AUFRUF ZUR BETEILIGUNG AN DER „DEGROWTH-KONFERENZ 2014“ IN LEIPZIG

Degrowth. Postwachstum. Décroissance. Wachstumswende. – All diese Begriffe beschreiben eine Entwicklung, die nicht neu ist, aber aktuell an Bedeutung gewinnt: Die Suche nach Gesellschaftsentwürfen jenseits eines von Krise zu Krise taumelnden ökonomischen Wachstumsparadigmas.

„DEGROWTH-KONFERENZ 2014“ IN LEIPZIG
Vom 2. – 6. September 2014 wird in Leipzig die vierte internationale „Degrowth“-Konferenz stattfinden und einen Raum zur Fortführung dieser Suche und ihrer praktischen Erprobung bieten. Wie sehen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik jenseits vom Wachstumszwang aus? Auf welchen Lebens- und Gemeinschaftsmodellen gründet eine Postwachstumsgesellschaft? Wie kann die Transformation hin zu einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Gesellschaft gestaltet werden? Unter dem Konferenztitel „Degrowth for Ecological Sustainability and Social Equity – bridging movements towards the great transformation” sollen zentrale Fragen ausgelotet werden. Dieser Brückenschlag zwischen wissenschaftlicher Theorie, politischer Bewegung, praktischer Umsetzung und künstlerischer Reflektion, soll die unterschiedlichen Perspektiven von über 1000 internationalen Teilnehmer*innen zusammenbringen – auf das sich fruchtbare Synergien entfalten und gemeinsame Visionen entstehen.

BETEILIGUNGSFORMEN
Die „Degrowth-Konferenz 2014“ soll DEINEN bzw. IHREN Ideen ein Forum bieten – ob als Wissenschaftler*in, Akteur*in der politischen Bewegung oder Praktiker*in mit Degrowth-Bezug. Deshalb laden wir dazu ein, gemeinsam das vielschichtige Konferenzprogramm zu gestalten. Folgende Möglichkeiten zur Mitwirkung wird es geben:

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Gute Kita-Plätze für alle!

Ab August 2013 stehen allen Kindern (ausnahmsweise werden hier Kinder von Hartz4-Empfanger_innen übrigens mal nicht ausgenommen) unter drei Jahren per Rechtsanspruch ein Kita-Platz zu. Doch: Bis zu 260.000 Plätze fehlen noch bundesweit. Und auch das Betreuungsgeld erscheint nur als Kostensenkungsmaßnahme -kommt doch das Betreuungsgeld im Endeffekt billiger als die Schaffung neuer Kita-Plätze- und keines Falls als gerechtes Instrument, qulitativ gute Betreuung für alle Kinder zu gewährleisten.

Wer es sich leisten kann, schickt seine/ihre Kinder in private Kitas mit hohem Betreuungsschlüssel und wer kein Geld hat und auf das Angebot staatlicher Kitas angewiesen ist, muss mit langen Wartezeiten rechnen, mit völlig überfüllten Kitas und gestressten Erzieher_innen.

Heide Oestreich schreibt dazu in der taz:

Zwar bekommen wir 2013 wohl den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, aber ein Recht auf einen schlechten Betreuungsplatz ist nichts wert. Denn Eltern werden die unterausgestatteten Kitas meiden und sich weiterhin auf den Wartelisten der besseren Einrichtungen auf die Füße treten. Mit anderen Worten: Der Betreuungsausbau fährt vor die Wand. Und unsere Regierung streitet stattdessen über die Subvention von Hausfrauen.

Wem gehört das Geschlecht?

Während in Berlin verschiedene Initativen und Einzelpersonen gegen die Zwangspsychatrisierung von „Alex“ kämpfen, einem 11jährigem Kind, das entgegen seinem bei der Geburt zugewiesenem Geschlecht lebt, entwickeln sich in Argentinien unvorstellbare Fortschritte in puncto Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität:

In Argentinien darf künftig jede und jeder selbst das eigene Geschlecht bestimmen – ganz ohne Hormonbehandlung oder Chirurgie. Es ist ein weltweit einmaliges Gesetz.

Lest dazu einen aktuellen Artikel in der Taz.

„Danke, das hatten wir schon!“

Im Deutschlandradio gibt es ein super Veriss des Buches „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ von der deutschen Familienministerin KristinaSchröder. „Eine absolute Bankrotterklärung“! Das Deutschlandradio im Gespräch mit der Feministin Barbara Vinken über das Emanzipations-Buch von Kristina Schröder:

„Naiv“, „populistisch“, „reaktionär“: Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken kritisiert das Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ von Familienministerin Kristina Schröder. Das Buch sei antifeministisch und ein Plädoyer dafür, dass man das Familienministerium eigentlich abschaffen könnte.

Schlecker-Mitarbeiter_innen kämpfen um ihre Zukunft

Lest auf  Mädchenmannschaft Aktuelles  zum Arbeitskampf bei Schlecker:

Die Drogeriemarkt-Kette Schlecker ist ja selten für gute Schlag­zeilen bekannt: Die Arbeitsbedingungen seien so schlecht, dass Kritik häufig nur anonym geäußert wird. Die Angestellten seien in den jeweiligen Filialen oft allein und hätten daher kaum eine Möglich­keit Pausen zu machen. Sie würden unter enormen Druck gesetzt und daran gehindert Betriebs­räte zu gründen. So mussten die Mitarbeiter_innen viele Jahre um grundlegende Arbeitsstrukturen kämpfen, wie z.B. die Gründung von Betriebs­­räten, Tarif­verträgen und den Stopp konzern­interner Leih­arbeit…

Gender Fragen in den Krisen-Protesten

http://ullaebner.wordpress.com/category/3-region/europa/eu/

Wenn man zum Thema Krise und Proteste im Netz nach queerfeministischen Diskussionsbeiträgen, Veransaltungen usw. sucht, stellt man fest, dass diesbezüglich wenig diskutiert  wird in der antikapitalistischen, deutschen Linken. Einige der wenigen Beiträge zum Thema habe ich hier mal zusammengetragen:

Gefunden habe ich eine Veranstaltung der Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t aus Marburg zur Care-Krise. Der Ankündigungstext dazu ist sehr aufschlußreich.

Außerdem gibts einen Aufruf der Gender AG bei attac! zur Umziengelung des Bundestages im November 2011 als Zeichen des Protestes gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung,

Das Gunda Werner Institut hat auf seiner Homepage einen Artikel von Luise Kassner zum Thema: „Die feministische Perspektive auf die Finanz- und Wirtschaftskrise“ veröffentlicht…sehr spannend! Nur leider ist der Bericht von 2009, also etwas veraltet….

In der Monatszeitung ak (Analyse und Kritik) erschien im Juni 2010 ein Artikel von Birgit Sauer zu: „Crisis! What Gender?“, einer geschlechterkritischen Deutung der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Wenn ihr mehr Aktuelles zum Thema Krise und Gender findet, her damit!

Queerfeministische Kundgebung in Berlin zur Familienpolitik

Wem gehört die Familie, Teil 2?

Am Freitag, den 09. März, fand die erste queerfeministische Kundgebung der interventionistischen Linken (iL) Berlin am Spreewald-Platz in Berlin-Kreuzberg statt. Rund 120 Menschen nahmen im Verlauf des Nachmittags an der Kundgebung teil, die sich gegen die Politik des Bundesfamilienministeriums und speziell gegen Kristina Schröder richtete. „Extrem unsozial, reaktionär und antifeministisch ist Schröder“, machte die Moderatorin am Mikrofon das Motto des Tages deutlich. Mehr dazu im Bericht zur Aktion….

Frauen/Lesben/Trans Demo in Berlin

Wem gehört die Öffentlichkeit?

Die Berliner Frauen/Lesben/Trans-Demo zum internationalen Frauenkampftag war dieses Jahr nicht allzugt besucht. Schätzungsweise rund 300 Teilnehmer_innen fanden sich um 16Uhr vor dem Familienministerium ein, um gemeinsam gegen „PatriarchatHerrschafts- und Ausbeutungsstrategien und Kapitalismus, und für die Gleichstellung aller Geschlechter“ zu demonstrieren. Aber wie funktioniert das eigentlich mit dem herrschaftsfreien Leben? Und der Kapitalismus, wie kann man diesen „abschaffen“, wennn er doch überall präsent ist? Erklärungen und/oder Überlegungen, wie kollektive und basisdemokratische Wege raus aus diesem ökonomischen System führen, hatte die FLT-Demo (z.B. in Form von Flugblättern oder Redebeiträgen) heute wenig zu bieten. Warum nicht? Wer den Kapitalismus „abschaffen“ will braucht eine breite Bewegung hinter sich und diese verträgt sich nicht mit der Strategie des „unter sich bleibens“…