Privatisierung der Luebecker Entsorgungsbetriebe?

In der Internet-Zeitung „HL-live.de“ ist zu lesen: „Die politischen Parteien diskutieren über eine Privatisierung der Entsorgungsbetriebe. Die FDP möchte eine Einrichtung, die von der Politik völlig unabhängig ist, die CDU würde gerne eine Anstalt öffentlichen Rechts schaffen. Die SPD steht Privatisierungen kritisch gegenüber.
„Die SPD tritt auf die Euphoriebremse. Eine Privatisierung städtischer Aufgaben und Gesellschaften ist mit Blick auf die in Lübeck gemachten Erfahrungen kein Allheilmittel“, so Peter Reinhardt, SPD-Fraktionschef. „Lohndrückerei, Arbeitsplatzabbau, erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und umfangreiche Vorleistungen der öffentlichen Hand trüben die angebliche Erfolgsbilanz der Privatisierungsfans.“
Bei der Bewertung der Privatisierung des Krankenhauses Süd falle negativ ins Gewicht, dass umfangreiche Nachforderungen von der öffentlichen Hand zu erfüllen waren und ein weiterer Verkauf von Gesellschafteranteilen zu einem symbolischen Preis notwendig wurden. Ebenso negativ falle der Verlust von 77 Arbeitsplätzen und der Abbau von 17 % der Betten ins Gewicht.
Reinhardt: „Die geforderte Übertragung der städtischen Gebäudereinigung versagte im Praxistest. Sie erwies sich bei genauer Betrachtung mit spitzem Bleistift als unwirtschaftlich und hätte zu erheblichen Mehrkosten für den Steuerzahler geführt. Gleiches gilt für die neuerlich von der Mehrheit in der Bürgerschaft geforderte Privatisierung der öffentlichen Beleuchtung. Die Berichte über die angestrebte Erhöhung der Mieten für die Geschäftsräume im Flughafensind nicht verwunderlich. Sie sind die zwingende Konsequenz aus der nur ‚mit erheblichen Bauschschmerzen‘ zugestimmten Veräußerung der Flughafengesellschaft und der Ankündigung des neuen Gesellschafters, Umsatz und Ertrag erheblich auszuweiten.“
Die SPD sehe deshalb keine Notwendigkeit, ihre Haltung zur Zukunft des Entsorgungsbetriebs zu überdenken. „Wir fordern unverändert eine Überführung der EBL in eine Anstalt öffentlichen Rechtes. Abfallbeseitigung, Entwässerung und Straßenreinigung sind Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.“
Die FDP hält dagegen. Dr. Michaele Blunk, Fraktionsvorsitzende der Liberalen in der Bürgerschaft: „Aufgabe von Verwaltung und Politik ist es, die Bedingungen für die Privaten so förderlich wie möglich zu gestalten. Dafür brauchen wir optimal ausgebildetes Personal, das effizient eingesetzt wird. Diese Effizienz geht verloren, wenn der erreichte hohe Standard nicht ständigem Wettbewerb ausgesetzt wird. Das allein reicht noch nicht, weil die Gelder der Steuer- oder Gebührenzahler auch bei abfallender Leistung fließen. Die EU-Richtlinie hat mit Sicherheit unzumutbare Härten für unsere Hafenarbeiter. Aber der ideologisch-reflexartige Aufschrei der sich sozial nennenden Politiker bei den Begriffen ‚Konkurrenz‘ und ‚Privatisierung‘ geht völlig an den realen Notwendigkeiten vorbei. In der Stadt steht demnächst die Umwandlung der Entsorgungsbetriebe an. Überholte Strukturen haben zu dramatischen Verlusten geführt. Aber die CDU kann sich nur zur Umwandlung in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) mit möglichst großem Einfluss von Politik und Verwaltung durchringen, die das Desaster mit zu verantworten haben. Die FDP wird sich für einen Beschlusstext einsetzen, der garantiert, dass bei den verschiedenen Sparten (Entwässerung, Stadtreinigung, Abfall u.a.) die Fragen nach Rechtsform, Teilprivatisierung, Synergien, Einsparungen usw. auf der Tagesordnung bleiben. Die AöR darf nach Beendigung der externen ‚Durchleuchtung‘ nicht in alte Gewohnheiten zurück fallen. Die positiven Beispiele von Privatisierungen in der Stadt sollten allen Mut machen.““
Quelle: http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=17964

Muell-Privatisierung und Rekommunalisierung

Was das Schicksal von 18 Müllwerkern mit Privatisierung zu tun hat, schildert eine Reportage in der Berliner Zeitung ausnehmend anschaulich und informativ. Sonst ziemlich trockene Zusammenhänge werden hier runtergebrochen aufs Konkrete, ein Lehrstück in Sachen „Was ist Privatisierung“ und deutlich wird einmal mehr, wie sehr die „größere Effizienz“ durch Privatiserung schlicht bedeutet: Niedrigere Lohnkosten.
Auch interessant der Schlenker am Ende der Reportage auf die auch unter EU-Ägide mögliche Rekommunalisierung:
„Es gibt inzwischen allerdings in einigen Kommunen Politiker, die nicht mehr bereit sind, das Lohndumping infolge von Privatisierungen hinzunehmen. Drei Brandenburger Landkreise haben das Auslaufen der Altverträge mit privaten Firmen jetzt dazu genutzt, die Müllabfuhr wieder zu einer kommunalen Aufgabe zu machen. Auch die Uckermark, eine der ärmsten Regionen in Deutschland. In der Kreisstadt Prenzlau begegnet man einem ganz unvermuteten Optimismus in der Gestalt des 50-jährigen SPD-Landrats Klemens Schmitz. Der umreißt das Problem so: ‚“Wir bekommen im Kreis knapp acht Millionen Euro Abfallgebühren pro Jahr. Wir haben überlegt, wie können wir soviel wie möglich davon in der Uckermark behalten?'“
Schmitz wusste, dass nur eine Gesellschaft in hundertprozentig kommunalem Eigentum garantiert, dass der Kreis die Kontrolle über Preise und Löhne behält. Denn auch das hat Brüssel bestimmt: Wenn sich eine Kommune entschließt, Müll, Wasser, Strom komplett selbst zu betreiben, muss es keine Ausschreibung geben und die Gesetze des Marktes gelten nicht. Landrat Schmitz sagt, das funktioniere hervorragend. Die neue kreiseigene Dienstleistungs-Gesellschaft mbH wird eigene Müllwagen und Mülltonnen anschaffen. Sie wird ihren 69 Müllwerkern Tariflöhne zahlen, weil sie keinen Gewinn erwirtschaften muss. Sie werde kontrolliert, um Parteien-Filz zu verhindern. So schiebe die Rekommunalisierung nicht nur dem Lohndumping einen Riegel vor, sagt er. „Wir garantieren auch eine hohe Qualität der Entsorgung. Und wir können sogar die Gebühren senken.'“
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/seite_3/486413.html