Finnland machts vor

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Ampel in Fredericia (Dänemark) von Thorsten Hartmann CC-BY-SA-3.0

In Deutschland zahlen der Millionär und der Hartzer bundeseinheitlich 5 Euro, wenn sie sich dabei erwischen lassen, wie sie über eine rote Fußgängerampel huschen. Für den Millionär ist das ganze wohl nicht mehr als eine bürokratische Belästigung, deren Erledigung ihm zudem wahrscheinlich seine persönliche AssistentIn abnimmt. Der Hartzer hingegen ist immerhin etwa 1,25% seines Monatseinkommens los. Wie ungerecht das alleine schon rein mathematisch ist, zeigt die einfach Prozentrechnung: Ein Einkommensmilionär müsste (nachdem er – nehmen wir es mal entgegen aller Plausibilitäten an – tatsächlich die garantiert nicht mehr als 45% Einkommensteuer abgeführt hat) mindestens 500 Euro Bußgeld bezahlen, um über diese 1,25% des monatlich verfügbaren Einkommens zu kommen: Also in etwa das Hundertfache im Vergleich zum Hartzer.

Dieses Extrembeispiel macht klar, wie unsozial das deutsche Bußgeldsystem ist – vor allem im Verkehr, wo der Bußgeldkatalog die Summen festlegt und von jeder sozialen Staffelung absieht, aber auch bei anderen Ordnungswidrigkeiten. Denn das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eröffnet zwar ausdrücklich die Möglichkeit zur Berücksichtigung der „wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters“, aber nur um sie gleich im nächsten Halbsatz durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Geringfügigkeit wieder zurückzunehmen:

Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt. (§ 17 Abs. 3 OWiG)

Die (Möchte-gern-)Klassenkumpanei zwischen Richter und Täter erledigt dann den Rest im Rahmen des Auslegungsspielraums. Der Klassencharakter eines solchen Bußgeldsystems ist klar: Disziplinierung der unteren Chargen bei – aber wirklich nur – formaler Gleichheit vor dem Gesetz. Für den Reichen erscheinen die Bußgelder wie geringfügige Gebühren, die er entrichten kann, um sein ordnungswidriges Handeln sanktioniert (im doppelten Sinne von bestraft und erlaubt) zu bekommen.

Aber es ginge auch anders. Das Neue Deutschland berichtet:

Millionär muss 54.000 Euro für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 Stundenkilometern zahlen … Die Liste von Millionären, die Finnlands Staatskasse durch das zu Schnellfahren aufgebessert haben, ist durch die Jahrzehnte hinweg lang. ND, 9.3.2015

Auch in Finnland ist die Bußgeldverhängungspraxis gesellschaftlich umstritten, allerdings müssen dort die Millionäre erstmal zahlen, womit dem Gerechtigkeitsempfinden der 99% viel eher Genüge getan ist als mit dem deutschen System. Hierzulande kommen die Armen, die ihre Bußgelder nicht zahlen wollen oder können eher in den Knast, als dass eine Gerechtigkeitsdebatte aufkäme bzw. zugelassen würde. Ein Drittel aller Insassen der JVA Plötzensee sitzen dort als sogenannte “SchwarzfahrerInnen”. Mehr dazu

 

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