Tel Aviv. In einer Woche, am 22. Januar, wird in Israel die 19. Knesset gewählt. Die Wahl-Maschinerie läuft seit Wochen heiss: TV-Duelle, Youtube-Clips, Wahlplakate entlang aller Ausfallstraßen und Highways. Jede Woche geht es vorwärts und rückwärts mit Blockbildungen, Skandälchen, Propaganda-Theaterstücken. Benyamin Netanjahu setzt auf die Hardliner-Karte – Bibi, der den Erfolg des Zauns an der ägyptischen Grenze preist, Bibi, der abgelegene Settlements in der Westbank nach Wählerstimmen abgrast, Bibi, der im Edel-Tanzclub jugendliche Neureiche vom DJ-Pult aus dazu auffordert, ihn zu wählen, um unter allen Umständen zu verhindern, dass es eine linke Regierung gibt. Neben dem Hardliner-Habitus gibt sich Netanjahu als einziger wahrer Wirtschaftsexperte und wird sehr voraussichtlich mit dieser politischen Flagge erneut die Wahlen gewinnen. Neben Netanjahus Likud-Partei kämpfen 33 Parteien, von denen nur eine sehr kleine Anzahl den Einzug ins Parlament schaffen wird, um eine nicht klar bestimmbare Anzahl von Wählerstimmen.
Von den über 9 Millionen Menschen, die auf dem Gebiet Israels leben, haben 7,66 Millionen das Recht, wählen zu gehen, 2,13 Millionen haben es nicht. Bei den letzten Wahlen lag die Wahlbeteiligung bei 65 %. „Vote as if your life depends on it“ – Wähle, als ob dein Leben davon abhängt – schreibt Shari Eshet, Leiterin der Dachorganisation jüdischer Frauen, bezogen auf Gendergerechtigkeit. Was pathetisch anmutet, ist atmosphärisch ganz und gar nicht aus der Luft gegriffen: Fast niemand – mit Wahlrecht – scheint zur Zeit NICHT mit der Frage beschäftigt, ob, für wen, für was, gegen wen, gegen was gewählt werden soll. Trotz der linken Katerstimmung nach den Protesten 2011 und 2012 hat sich an dem Ruf nach Veränderung nicht viel verändert: Die innere sozial-politische Situation ist katastrophal, die außenpolitische Lage brüchig, die Lage in den palästinensischen Gebieten driftet Richtung dritte Intifada. Der Wunsch, die rechte Likud-Beiteinu Regierungskoalition unter Premier Netanjahu stürzen zu wollen, vereint hochrangige Intellektuelle wie Amos Oz mit den Menschen, die versuchen, Stimmen für die, bei den Wahlen 2009 noch vollkommen abgeschlagene kleine jüdisch-arabische Arbeiter-Partei Da’am zu mobilisieren. Es wäre nichts anderes als ein Hoffnungsschimmer zu nennen, wenn die Da’am und ihre Frontfrau Asma Aghbarieh-Zahalka den Atem haben, eine Idee von sozialer Gerechtigkeit und einem gemeinsamen jüdisch-arabischen Weg zur Agenda einiger Tausend mehr werden zu lassen. Was bleibt sonst: Die Stimme den einzigen ernstzunehmenden Mitte-Links Konkurrentinnen Netanjahus – Tzipi Livni (Hatnua) und Shelly Yacimovich (Labor) – geben, der stärkeren linken Opposition (Meretz), den linken arabisch-israelischen Parteien geben (Balad, Hadash, Raam-Taal), die Stimme an palästinensische Bürger*innen ohne Wahlrecht abgeben? Und schließlich: Was immer sich im Kleinen zugunsten der sich als Alternative verstehenden Gruppierungen verschieben kann, auf der großen politischen Bühne der Knesset selbst wird es auch diesmal keine signifikante Veränderung geben. Die Umfragen zeigen, dass der Likud-Beiteinu-Block derzeit ohne säkuläre Konkurrenz ist. In dem Zusammenhang sollte allerdings die Stärke der religiösen Parteien, die zusammen fast ein Drittel der 120 Knesset-Sitze beanspruchen, nicht verschwiegen werden. Vor allem Habayit Hayehudi unter ihrem Vorsitzenden Naftali Bennett hat hierzu in den vergangenen Wochen einiges beigetragen.