Martin Staiger, Theologe und Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk Württemberg, schreibt regelmäßig in den Blättern für deutsche und internationale Politik zum Themenkomplex Armut, Reichtum und Verarmungspolitik. Ganz aktuell beschäftigt er sich mit Depression und Burnout als Folge unsozialer Arbeitsverhältnisse:
Dieser sozialpolitische Wandel hat den Druck auf Erwerbslose wie auf Beschäftigte in diesem Land erheblich erhöht – mit dramatischen Folgen für deren Gesundheit. Allerdings führen die „traditionellen“ psychischen Erkrankungen und deren Folgen in der öffentlichen Wahrnehmung ein Schattendasein. Stattdessen reden alle von Burnout, das inzwischen zu einer Art Modekrankheit von sogenannten Entscheidern und solchen, die sich dafür halten, geworden ist. In einer Gesellschaft, in der viele nach wie vor an die große Erzählung glauben, dass der soziale Status in erster Linie von der individuellen Leistung abhängt, klingt das Krankheitsbild Burnout-Syndrom auch viel tatkräftiger als zum Beispiel das Krankheitsbild Depression. Schließlich hat der oder die Ausgebrannte zuvor noch gebrannt und sich damit als ein nützliches Mitglied der Gesellschaft erwiesen.
Obwohl Burnout somit viel mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht – was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass viele Medienschaffende selbst die Sorge haben auszubrennen – ist das Krankheitsbild der Depression weitaus verbreiteter: Nach einer neuen Studie des Robert Koch-Instituts leiden rund doppelt so viele Menschen an einer Depression wie an Burnout.
Zugleich fällt auf, dass Burnout eher eine Krankheit der sozioökonomisch Bessergestellten ist. Bei 5,8 Prozent der Personen mit hohem sozioökonomischen Status wurde ein Burnout-Syndrom diagnostiziert, bei Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status betrug die Burnout-Häufigkeit lediglich 2,6 Prozent.
Bei den Depressionen verhält es sich genau umgekehrt – die Dimensionen sind aber wesentlich gravierender. So litten nach den Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts 4,2 Prozent der Personen mit hohem sozioökonomischen Status an einer Depression. Bei der Bevölkerungsgruppe mit niedrigem sozioökonomischen Status waren 13,6 Prozent und damit mehr als dreimal so viele betroffen. Damit stellt sich die Frage: Macht Armut krank? Weiterlesen
Mehr lesen von Martin Staiger in den Blättern: Lehrstück Hartz IV (4/11), Menschenwürde nach Kassenlage (9/10), Hartz IV oder Menschenwürde (3/10), Wie weiter nach der Wahl? Sozialabbau und die Aufgabe der Kirchen (10/09), Unsozial in die Wahl (9/09) und Kinderarmut kleingerechnet (1/09).
Weitere AutorInnen decken das Thema und seine internationale Dimension ab: Albert Scharenberg: Gibt Obama jetzt den Clinton?, Armin Paasch: Der Hungergipfel, Georg Rammer: Kinder haben Rechte – auf Armut?, Armin Paasch, Christine Chemnitz: EU-Indien: Die ungleiche Partnerschaft, Michael R. Krätke: Nach dem Gipfel – und alle Fragen offen und Rudolf Martens: Die Hartz-IV-Abrechnung.