Denkmale haben außer der Eigenschaft, daß man nicht weiß, ob man Denkmale oder Denkmäler sagen soll, noch allerhand Eigenheiten. Die wichtigste davon ist ein wenig widerspruchsvoll; das Auffallendste an Denkmälern ist nämlich, daß man sie nicht bemerkt. Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie Denkmäler. Sie werden doch zweifellos aufgestellt, um gesehen zu werden, ja geradezu, um die Aufmerksamkeit zu erregen; aber gleichzeitig sind sie durch irgend etwas gegen Aufmerksamkeit imprägniert, und diese rinnt Wassertropfen-auf-Oelbezug-artig an ihnen ab, ohne auch nur einen Augenblick stehenzubleiben.
Dies stellte der Schriftsteller Robert Musil in seinem Nachlaß zu Lebzeiten mit bemerkenswerter Klarsicht fest. Und weiter:
Wenn die Menschen nicht für Denkmale seelenblind wären und bemerken könnten, was oben vorgeht, so müßten sie, wenn sie vorbeikommen, das Gruseln haben wie an den Mauern eines Irrenhauses. Noch gruseliger ist es, wenn die Bildhauer einen General oder einen Prinzen darstellen. Die Fahne flattert in der Hand, und es geht gar kein Wind. Das Schwert ist gezückt, und niemand fürchtet sich davor. Der Arm weist gebieterisch vorwärts, aber kein Mensch denkt daran, ihm zu folgen, selbst das Pferd, das sich mit sprühenden Nüstern zum Sprung erhoben hat, bleibt auf den Hinterhufen stehen, starr vor Staunen darüber, daß die Menschen unten, statt zur Seite zu treten, ruhig ein Wurstbrot in den Mund stecken oder eine Zeitung kaufen. Bei Gott. Denkmalsfiguren machen keinen Schritt und machen doch immerwährend einen Faux pas. Es ist eine verzweifelte Lage.
Die Welt gehört auch denen, die Denkmale drauf bauen. Meine vornehmliche Aufgabe hier ist hinzuschauen, wer für wen Denkmale baut und baute. Und warum. Robert Musil:
Was aber trotzdem immer unverständlicher wird, je länger man nachdenkt, ist die Frage, weshalb dann, wenn die Dinge so liegen, gerade großen Männern Denkmale gesetzt werden? Es scheint eine ganz ausgemachte Bosheit zu sein. Da man ihnen im Leben nicht mehr schaden kann, stürzt man sie gleichsam mit einem Gedenkstein um den Hals, ins Meer des Vergessens.1
- Robert Musil, Gesammelte Werke, Band 7, Reinbek 1978, S. 506-509; zuerst in: derselbe, Nachlass zu Lebzeiten (1936) [↩]