LabourNet ueber Privatisierung durch Partnerschaft im Bildungsbereich

»Öffentlich-Private-Partnerschaften« (ÖPP) oder neudeutsch »Public-private-Partnership« (PPP) bezeichnet ein Konzept, mit dem öffentliche Dienstleistungen bereits seit einiger Zeit ausgegliedert und privatisiert werden.
http://www.labournet.de/diskussion/wipo/gats/ppp_maaz.html gibt am Beispiel des staatlichen Hochbaus, genauer: des Schulbaus, einen kurzen Einblick in dieses Thema.

Enteignung – Sozialisierung nach Art. 15 GG: im Visier der FDP

Die FDP-Fraktion hat am 9.11.2006 mal wieder einen Gesetzentwurf zur Beseitigung des Artikel 15 („Sozialisierungsartikel“) des Grundgesetzes eingebracht. Der entsprechende Antrag findet sich hier: http://dip.bundestag.de/btd/16/033/1603301.pdf
Siehe auch: „Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums: staatliche Beschränkung des Eigentums im Dienste der Eigentumsordnung“ von Albert Krölls

De-Privatisierung in USA

In Deutschland übernehmen US-Investoren städtische Wohnungen im großen Stil – in ihrer Heimat dagegen dreht wegen Mietwuchers der Wind. US-Stadtverwaltungen kaufen ganze Straßenzüge auf. Einige drohen sogar mit Enteignungen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,457558,00.html

Hamburg – Wenn Jerry Sanders in seinem Büro im elften Stock der öffentlichen Verwaltung von San Diego seine Stadt vorstellen möchte, dann nimmt der Oberbürgermeister gerne den Straßenplan zur Hand. Zoo, Seaworld, 70 Meilen lange Strände im Stadtgebiet und die elegante Einkaufs- und Flaniergegend Gaslamp Quarter – die zweitgrößte Metropole Kaliforniens hat viel zu bieten. Wenn es nach dem Willen der Stadtvorsteher geht, dürfte bald sogar noch eine Attraktion dazukommen: bezahlbare Wohnungen.

San Diego: 1167 Appartements für Stadtbewohner mit niedrigem Einkommen
Die Sonnenscheinstadt San Diego hat zusammen mit privaten Geldgebern 38 Millionen Dollar in einen mächtigen Häuserblock im Stadtteil Barrio Logan gesteckt, einem der ältesten und traditionsreichsten Viertel der City. Und diese Wohnungen will die Gemeinde ausschließlich Stadtbewohnern mit niedrigen Einkommen zur Miete anbieten. „Eines der Hauptziele unserer Stadtentwicklung ist es, mehr bezahlbaren Wohnraum aufzubauen“, sagt Sanders.

Er hat Erfahrung damit. Schon im Mai vergangenen Jahres wurde der Grundstein für ein ähnliches Projekt an San Diegos Logan Avenue gelegt, Ecke 16. Straße. Die Investitionssumme dort: 15 Millionen Dollar. 1167 Apartments sollen errichtet werden, für Stadtbewohner mit Gehältern weit unter dem Durchschnitt der Business-Stadt.

Markteingriff mit Steuergeld
„Barrio Logan ist ein Stadtteil, in dem verzweifelter Bedarf nach günstigen Unterbringungen besteht“, sagt Ben Hueso fast entschuldigend für den städtischen Eingriff in San Diegos Wohnungsmarkt. Hueso ist Bürgermeister des Districts der kalifornischen Großstadt, zu dem Barrio Logan zählt.

Ausgerechnet im Heimatland der Finanzinvestoren dreht der Wind: Während US-Finanzinvestoren wie Fortress oder Lone Star in der Bundesrepublik im großen Stil städtische Wohnungen kaufen, erwerben amerikanische Städte ganze Straßenzüge von privaten Wohnungsbaugesellschaften.

Die sind allerdings weniger von der möglichen Rendite ihres Investments umgetrieben als von der Struktur ihres städtischen Wohnungsmarkts: Speziell günstiger Wohnraum ist inzwischen vielerorts sehr knapp geworden.

Die lange Boomphase in einigen Metropolen der USA hat das Preisniveau für Wohnhäuser und Mietwohnungen landesweit in die Höhe getrieben. Seit 1995 stieg der Preis für US-Wohnhäuser im Schnitt fast um die Hälfte. Und die Mieten gingen nach Angaben des Bureau of Labour Statistics im gleichen Zeitraum um etwa ein Drittel in die Höhe. Je nach Region war es sogar weit mehr: Speziell in New York und in Kalifornien legten die Preise für Wohnimmobilien in dieser Phase viel stärker zu als im Landesdurchschnitt, errechnete unlängst die NordLB.

Notfalls enteignen
Vergleichsweise billige Apartments sind in etlichen Großstädten Amerikas kaum noch zu bekommen. Angesichts dieser Notlage werden auch in der Öffentlichkeit zunehmend Rufe nach dem Staat laut – in den USA ein seltenes Phänomen. In New York beispielsweise sorgt der geplante Verkauf der Manhattan-Viertel Stuyvesant Town und Peter Cooper Village für einen regelrechten Aufschrei.

Der riesige Komplex an New Yorks East-River-Ufer galt bis jetzt als eine der letzten Zufluchtstätten amerikanischer Mittelstandsfamilien, die sich andere Wohnungen in Manhatten nicht mehr leisten können: Feuerwehrleute, Polizisten, Lehrer oder Krankenschwestern zahlen hier 1700 Dollar pro Monat für ein Zweizimmerapartment.

Nun aber verkauft der Besitzer der Wohnanlage, der US-Versicherungsriese Metlife, die Apartments für 5,4 Milliarden Dollar an die Investorenfirma Tishman Speyer. Viele Bewohner fürchten nun, dass sie mittelfristig ihre Wohnungen räumen müssen. Das aber bedeutet für viele gleichzeitig, dass sie Manhattan verlassen müssten.

Hinzu kommt, dass die Nachfrage nach Mietwohnungen in den kommenden Jahren wahrscheinlich überproportional steigen wird. Denn viele Amerikaner, die bisher in den eigenen vier Wänden gewohnt haben, sind in den vergangenen Jahren immer stärker in Bedrängnis geraten, weil sie ihre Häuser mit Krediten ohne feste Zinsbindung finanzieren. Das war kein Problem, solange die Zinsen gleich blieben oder fielen. Doch seit die US-Notenbank an der Zinsschraube dreht, sieht die Sache anders aus.

In der Kreditklemme
Allein in den vergangenen zwei Jahren haben die Währungshüter Amerikas wichtigsten Zinssatz 17-mal in Folge erhöht, auf nunmehr 5,25 Prozent. Entsprechend viele Grundeigentümer sind in den vergangenen Monaten Schritt für Schritt in Kreditschwierigkeiten geraten, und das stellt irgendwann die US-Gemeinden vor Probleme. Denn die Kommunen müssen unter Umständen einspringen, sollten die Immobilien der betroffenen Hausbesitzer tatsächlich unter den Hammer kommen: Im Notfall sollen die Städte die Familien mit Wohnraum versorgen.

Ein Vorhaben der kalifornischen Gemeinde Moorpark lässt ahnen, wie dringend in manchen US-Städten mittlerweile günstiger Wohnraum gesucht wird. Mitten in ihrem City-Gebiet, von der Poindexter Avenue im Norden bis zur Los Angeles Avenue im Süden, erstrecken sich bisher Brachen mit heruntergekommenen Bauten. Niemand hat sich für die Immobilien bisher interessiert. Die Besitzer spekulierten vielmehr auf den Weiterverkauf, sollte das Viertel einmal einen Aufschwung nehmen. Jetzt erwägt die Stadt die Eigentümer kurzerhand zu enteignen, die Gebäude zu sanieren – und darin günstige Mietapartments anzubieten.

„Eines ist klar“, sagt Moorpark-Bürgermeister Patrick Hunter: „Enteignung ist ein außergewöhnlich gravierender Eingriff der Stadtführung und sollte auch nur in außergewöhnlichen Fällen eingesetzt werden – als letztes Mittel und nachdem der private Besitzer fair abgefunden worden ist.“

Noch hat der Rat der Stadt nicht entschieden.

„US-GROSSSTÄDTE. Starker Staat soll Miethaie stoppen“ von Karsten Stumm
Spiegel-Online, 04. Januar 2007
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,457558,00.html

HOCHWERTIGE OeFFENTLICHE DIENSTLEISTUNGEN FUeR ALLE!

Im November 2006 startete der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) eine Petition für öffentliche Dienstleistungen: http://www.petitionpublicservice.eu

Seit mehreren Jahren bereits verfolgt die Europäische Kommission eine Politik der Marktöffnung zur Förderung des Wettbewerbs und des freien Marktes. Nicht selten ging die Liberalisierung mit dem Ersatz einfacher Staatsmonopole durch große Gruppen privater Quasimonopole einher. Ferner führte die Liberalisierung zu einem Abbau des Zugangs zu und mitunter sogar zu einem Abbau der Qualität von öffentlichen Dienstleistungen, was den Verbrauchern keinerlei Nutzen brachte.

So verabschiedete die Kommission beispielsweise eine ganze Reihe von Maßnahmen zur schrittweisen Liberalisierung der Post. Und mit der Öffnung dieser Dienste für den freien Wettbewerb ab dem 1. Januar 2009, hat sie gerade einen weiteren Schritt zur vollständigen Liberalisierung unternommen, ohne sich um die Aufrechterhaltung eines für alle zugänglichen Universaldienstes zu bemühen.

Was unternimmt die Kommission zur Wahrung und Modernisierung öffentlicher Dienstleistungen? Sie verrennt sich in Zweifeln bezüglich Grünbüchern, Weißbüchern und Mitteilungen, versäumt es jedoch, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen.

Der EGB unterbreitete einen Vorschlag über ein Moratorium für die Liberalisierung sowie über eine Rahmenrichtlinie über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Die Kommission lehnt jedoch jegliche Maßnahmen ab.

Das darf so nicht weitergehen! Die Kommission muss zum Schutz des öffentlichen Gutes handeln! Und aus diesem Grunde hat der EGB in Zusammenarbeit mit seinen angeschlossenen Mitgliedsorganisationen und anderen Partnern den Beschluss gefasst, Unterschriften von Bürgerinnen und Bürger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Ziel zusammenzutragen, die Kommission dazu zu drängen, einen Gesetzesrahmen zur Wahrung öffentlicher Dienstleistungen zu verabschieden.

Unterschreiben auch Sie die Petition für Hochwertige Öffentliche Dienstleistungen, für Alle
http://www.petitionpublicservice.eu

Industrie warnt: Singen von "Happy Birthday" koennte zu Straftat werden

Australien: Jeder Bürger ein Copyright-Pirat? Das öffentliche Singen von „Happy Birthday“ wird in Australien künftig mit bis zu 800,- Euro (1.320,- Australische Dollar) Bußgeld bestraft. Das folgt aus dem Gesetzentwurf für das neue australische Urheberrecht, der Anfang November das Repräsentantenhaus passiert hat. Die Internet Industry Association (IIA) von Australien warnt vor den Risiken für Bürger und Wirtschaft…
http://golem.de/0611/49023.html

Elektrizitaet, Waerme und Wasser fuer alle

In Belgien gibt es ein einzigartiges Modell: Dort bekommt jeder eine Mindestmenge Energie und Wasser kostenlos. Das dient den Menschenrechten, der Umwelt und dem Bürokratieabbau.
Wäre der Kindstod von Sömmerda vermeidbar gewesen, wenn man der Mutter nicht den Strom abgeschaltet hätte? / Das Modell Belgien

Der allein erziehenden Mutter in Sömmerda wurde, als sie ohnehin mit dem Rücken an der Wand stand, der Strom abgestellt, was die Überforderung noch erheblich steigerte. Vor die Wahl gestellt, nun mit den schreienden Kindern in geschlossenen Räumen im Dunkeln zu leben oder sich dieser Tortur zu entziehen, entfloh sie zu einer Freundin und überließ die Kinder ihrem Schicksal. Dass die Entscheidung der Elektrizitätswerke die Straftat der Mutter und den Tod des Kindes wesentlich beförderte, kann kaum bestritten werden. Kann oder muss man sogar von einer Mitschuld der Elektrizitätswerke am Tod des Kindes sprechen?

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Micha Hilgers, kritisierte, dass das Jugendamt die Mutter mit den kleinen Kindern in die dunkle Wohnung zurückschickte, statt ihr die Kinder wegzunehmen. Der Mutter allein oder einem alten Menschen könnte man den Strom also abstellen? Auf dass ein 80-Jähriger hinfällt und sich das Nahezu-Todesurteil eines Oberschenkelhalsbruchs zuzieht? Will die Gesellschaft, dass das Recht auf ein menschenwürdiges Leben derart „teilbar“ ist?

Ist es akzeptabel, dass die GASAG in Berlin, wie geschehen, bei 10 Grad minus Außentemperatur einer alten Frau wochenlang das Gas abstellt, weil sie die Rechnung nicht bezahlen kann? Welche Möglichkeiten hat eine derart in die Enge getriebene Frau? Emotional und real? Die Scham angesichts dieser Entscheidung der Versorgungswerke grenzt die Handlungsoptionen enorm ein. Mit welcher plausiblen Begründung könnte sie sich für den Rest des Winters bei Freunden oder Bekannten einquartieren? Wen könnte sie um Zahlung der Schulden bitten? Im Berliner Fall kapselte die Frau sich ab und versuchte die fehlende Raumwärme mit Hochprozentigem zu ersetzen. Was die Situation erst recht zur Eskalation brachte.

Die entscheidende Frage ist, ob Verbraucher und Gesetzgeber ein Mindestmaß an Wasser, Elektrizität und Wärme als Teil des Rechts auf menschenwürdiges Leben ansehen, das die Verfassung jedem garantiert.

Der belgische Sozialist und Umweltminister Bruno Tobback hat in Belgien ein System eingeführt, das die OECD als weltweit bestes Modell sozialen Ressourcen-Managements bezeichnet. Beispiel Wasser: Jeder bekommt pro Kopf eine Mindestmenge kostenlos. Der Verbrauch über dieses Mindestmaß hinaus ist dagegen sehr teuer und finanziert den Verbrauch der Mindestmengen insgesamt (den der Armen und der Reichen) mit.

Dieses System hat vier Vorteile:

-Niemandem wird Strom oder Wasser abgestellt, die Mindestmenge für menschenwürdiges Leben ist garantiert.

-Da höherer Verbrauch sehr teuer ist, enthält das System einen starken Anreiz zu ressourcenschonendem Verhalten.

-Da Arme innerhalb des Kontingents nicht belastet werden, ist es möglich, nach und nach alle Umweltkosten in die Preise zu internalisieren.

-Das System erfordert keinerlei bürokratischen Aufwand, sondern würde die Ämter in Deutschland vermutlich sogar entlasten.

Sowohl sozial- als auch umweltpolitisch ist die Einführung dieses Modells sehr wünschenswert. Wenn es im Zuge der Hartz-Gesetze politisch möglich war, Höchstgrößen für Wohnungen festzulegen, dann sollte es ein Leichtes sein, Mindestmengen für Wasser, Strom und Wärme festzulegen und für alle dauerhaften Zugang sicherzustellen.

Übrigens sollte man auch überlegen, ob die zunehmende Zahl isoliert lebender Menschen einen kostenlosen Festnetzanschluss in allen Wohnungen notwendig macht, damit alte Menschen, Verletzte oder Kinder zumindest einen Notdienst rufen können. Bei erwiesener Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit kann man technisch alle anderen Wahlmöglichkeiten außer dem Rettungsdienst kappen. Die deutsche Gesellschaft altert, aber anders als heute werden in 20 Jahren unter den Alten sehr viele Arme sein. Menschen, die sich kein Handy leisten können. Viele 40- bis 60-Jährige leben zudem gewollt oder ungewollt heute so, dass sie absehbar im Alter ohne Verwandte und sogar ohne engen Freundeskreis sein werden. Die Zahl isolierter Menschen wird zunehmen: Selten gesehene Hausbewohner, bei denen niemand bemerkt, dass ihre Situation auf Grund der Entscheidung profitorientierter Versorgungswerke immer „prekärer“, d. h. menschenunwürdiger wird.

Interessant ist die Frage, weshalb die Verbraucherzentralen sich bisher für Modelle wie das belgische nicht stark machen. Leider fungieren sie – noch mehr als Gewerkschaften – als Interessenvertretungen der Privilegierten. Derer, die verbrauchen können und die möglichst hohe Qualität für ihr Geld wollen. Wann treten sie auch für die Zugangsrechte derer ein, die nicht verbrauchen können?

Die Verbraucherzentralen hätten die Macht, die Einführung des belgischen Modells enorm zu beschleunigen. Sie müssten lediglich eine Aufklärungskampagne mit Zahlungsboykott organisieren. Schließlich gibt jeder, der zulässt, dass Vattenfall, EnBW, GASAG und andere Versorgungsdienstleister monatlich abbuchen, damit stillschweigend seine Zustimmung zu deren Geschäftpraxis, Zahlungsunfähigen den Netzanschluss zu kappen. Ein einmonatiger Verbraucherboykott könnte ein weiteres Sömmerda bedeutend unwahrscheinlicher machen.

Der jetzige Zustand aber befördert, dass Eltern in menschenunwürdige Situationen gestellt und überfordert werden, so dass Kinder sterben. Der jetzige Zustand befördert, dass alte Menschen an Alkoholvergiftung sterben. Dass sie sich vor Verzweiflung aufgeben und still verdursten oder verhungern, weil sie nur noch im Bett liegen und bewusst nichts mehr zu sich nehmen.

Auch zur Weihnachtszeit 2006 wird es diese Todesfälle, Selbstaufgaben und stillen Selbstmorde geben, für die die Gesellschaft insgesamt und der Gesetzgeber die Verantwortung tragen.

STEFANIE CHRISTMANN

URL: http://www.frankfurter-rundschau.de/in_und_ausland/politik/meinung/standpunkte_aus_der_zeitung/?em_cnt=1037888
Letzte Änderung am 22.12.2006 um 18:27:04 Uhr
Erscheinungsdatum 23.12.2006

PPP – Normalskandal

Die FAZ  vom 4.1.07 berichtet:
Es geht um Geld. Viel Geld. Vier Millionen Euro. So viel mehr soll es gekostet haben, den Auftrag an das Mannheimer Finanzinstitut Süd-Leasing zu vergeben und das Zentrum vom Stuttgarter Unternehmen Müller-Altvatter bauen und 20 Jahre lang betreiben zu lassen. Das behauptet zumindest das Revisionsamt. Die Behörde ist wichtig: Sie ist die Innenrevision der Kommune, und Ulrich Uebele, ihr Leiter, ist in der Kämmerei seit Monaten nicht sonderlich beliebt. (…) Uebele hat sich Feinde gemacht, weil er an einer vermeintlichen Wahrheit rüttelte: der weltweit von Privatisierungsjüngern gepredigten Annahme, dass ein Unternehmen stets günstiger baut als die öffentliche Hand. Private seien effizienter, begingen weniger Fehler und arbeiteten schneller, heißt es. Dass ÖPP erst in Mode kam, als die Kommunen chronisch pleite waren und nicht einmal mehr ihre Schulen sanieren konnten, sagen die Jünger nicht. Sie loben jedes der vielen ÖPP-Modelle, denen allen eine Annahme zugrunde liegt: Je komplexer ein Bauvorhaben ist, desto eher rentiert sich ein Generalunternehmer, der sich anstelle der Kommune um jedes Detail kümmert.

Vielleicht war das Bildungszentrum nicht komplex genug, vielleicht hat die Kämmerei nicht gut verhandelt, vielleicht hat sich Uebele aber auch einfach verrechnet. Wer weiß das schon? Uebeles Leute jedenfalls prüften die Unterlagen und kamen im Juni 2003 – wenige Tage bevor die Stadtverordneten dem ÖPP-Verfahren zustimmen sollten – zu dem Ergebnis, eine Vorlage des Magistrats zur Auftragsvergabe sei „nicht beschlussreif“. Zahlen wurden nicht veröffentlicht, aber in den Unterlagen heißt es, es sei „grundsätzlich zu beanstanden“, dass „nicht auf die zentrale Frage eingegangen wurde, weshalb dem dargestellten Mietkaufkonzept gegenüber der herkömmlichen Erstellung eines Neubaus der Vorrang eingeräumt wurde“. Die Stadtverordneten störte das nicht: Sie beschlossen das Projekt. Auch die Sozialdemokraten hoben die Hand.
„So ein Schriftstück existiert nicht“
Hätten die Stadtverordneten damals nachgefragt, müssten sie heute nicht nach einem Papier suchen, das eine Entscheidung begründen soll, die sie vor Jahren mitgetragen haben. Denn was das Revisionsamt 2003 schon ahnte, gibt der zuständige Abteilungsleiter in der Kämmerei, Frank Heudorf, jetzt zu: „So ein Schriftstück existiert nicht.“ (…) Anfang dieses Jahres präsentierte Uebeles Behörde einen rund 70 Seiten starken internen Bericht, in dem sie die Vorwürfe von 2003 wiederholte und ausführlich begründete, warum ein Bau in städtischer Eigenregie samt Betrieb bis 2025 günstiger gewesen wäre: von „sehr hohen Transaktionskosten“ ist da die Rede, verursacht von privaten Beratern; und von deutlich zu hohen Betriebskosten, weil an der Wärmedämmung gespart worden sei. Mehrkosten: eben jene vier Millionen Euro.(…) Die Kämmerei ließ den bekannten Gutachter Hans Wilhelm Alfen rechnen – für mehrere zehntausend Euro, wie zu hören ist. „Guter Rat ist eben teuer“, sagt einer, der sich auskennt.“
Etc.