Regierungskrise stoppt Privatisierung

DIE SLOWAKEI schiebt den Verkauf von Staatsbetrieben wie der Güterbahn auf die lange Bank.
PRESSBURG. Die ehrgeizigen slowakischen Privatisierungsprojekte scheinen auf einen Schlag gestoppt. Wegen der Regierungskrise und des Vorziehens der Parlamentswahlen sagte Regierungschef Mikulas Dzurinda gestern, Dienstag, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen verbliebenen Regierungspartnern, dass es wohl nicht mehr zu schaffen sei, weitere Privatisierungen durchzuführen. Deshalb werde er bei den für heute geplanten Verhandlungen mit den Führern der anderen Parteien über Wahltermine einen Privatisierungsstopp „fünf Monate vor dem vereinbarten Wahltermin“ anbieten. Also vermutlich ab sofort.
Für die ÖBB, die sich um den Kauf der Slowakischen Güterbahn bemühen, ist das eine Hiobsbotschaft: Die Privatisierung der lukrativen Slovak Cargo liegt nun wohl aus politischen Gründen auf Eis. Allerdings lief das Verfahren schon bisher nicht reibungslos. Laut ursprünglichen Regierungsplänen sollte über der Verkauf noch vor Ende 2005 entschieden werden. Ähnlich wie in der Ausschreibung für die Flughäfen Bratislava (früher Pressburg) und Kosice (Kaschau) gab es auch hier schon erste Skandale, etwa weil in den Medien Informationen „aus nicht genannter Quelle“ über die vermutlich gebotenen Preise kursieren, obwohl sie laut Ausschreibung als geheim zu gelten haben, bis die Entscheidung gefallen ist. Einen Skandal um weitere Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens wird sich der zur Dzurinda-Partei gehörende Verkehrsminister Pavol Prokopovic nicht mehr antun wollen. Teile der Opposition wollten schon wegen der Flughafenprivatisierung seine Abberufung.
Der Verkauf der Flughäfen an das Konsortium TwoOne um den Flughafen Wien sollte hingegen noch über die Bühne gehen. Hier ist, wie berichtet, der Regierungsbeschluss bereits gefallen. Allerdings ist der Zuschlag noch nicht 100-prozentig fix: Wenn das Antimonopolamt seine Zustimmung nicht bis spätestens 15. August erteilt oder andere unerwartete Hürden auftreten, wird der Zuschlag für TwoOne laut Ausschreibungsbedingungen ungültig.
Oppositionsführer Robert Fico sagte wiederholt, wenige Monate vor den ursprünglich für September geplanten Parlamentswahlen noch das Familiensilber zu verkaufen, sei ein „Skandal“. Sollte Fico die Wahl – wie erwartet – gewinnen, so will er „alle rechtlich möglichen Mittel“ einsetzen, um die Privatisierung zu stornieren.
Um der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte die Regierung schon vor zwei Wochen beschlossen, nur mehr die bereits laufenden bzw. vorbereiteten Privatisierungen unter Dach und Fach zu bringen und dann ab 1. April nichts mehr zu verkaufen.
Unrealistisch sind vermutlich alle anderen Privatisierungsprojekte: Verbliebene Staatsanteile an zwei der drei Strom-Regionalversorger sollten ebenso verkauft werden wie elf lokale Linienbus-Gesellschaften und Anteile an Wärmekraftwerken. In großem Zeitverzug ist der schon im Februar 2005 beschlossene Verkauf von 66 Prozent am Stromkonzern Slovenské Elektrárne (mit den Atomkraftwerken Mochovce und Bohunice) an die italienische Enel. Hier sind immer noch nicht alle Details geklärt.
Christoph Thanei, Die Presse vom 08.02.2006
Quelle: http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=eo&id=537717

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