Süddeutsche Zeitung über Bahnprivatisierung„Süddeutsche Zeitung“ featuring privatization of german railway company

Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute über die Bahnprivatisierung in einem Schwerpunkt: http://www.sueddeutsche.de/,tt4m2/wirtschaft/artikel/934/124751/The German newspaper „Süddeutsche Zeitung“ today is featuring the privatization of the german railway company: http://www.sueddeutsche.de/,tt4m2/wirtschaft/artikel/934/124751/

Ralf Streck: Immer für einen interessanten Hintergrundartikel aus dem spanischsprachigen Bereich gut

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Eigentum according to FAS

Und mit folgendem Diskurs zementieren die Konservativen die Idee vom Eigentum. Hier die eher platte Version der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

Warum und wozu verpflichtet Eigentum?
Von Rainer Hank (FAS 8.4.07 S.54)

„Mein“ und „Dein“ sind gar nicht so leicht auseinanderzuhalten. Wäre es einfach, würden die Kinder im Sandkasten nicht so laut brüllen. Und manche Leute meinen, die Welt wäre besser und gerechter, wenn es die Unterscheidung von „Mein“ und „Dein“ gar nicht gäbe. Dann stünde allen Menschen alles gleichermaßen zur Verfügung, gemäß ihren Bedürfnissen.

Historisch jedenfalls gehört die Vorstellung privaten Eigentums spätestens seit der jüngeren Steinzeit zu den Grundüberzeugungen vieler Völker. Kleider, Schmuck und Waffen, Dinge also, die für die persönliche Existenz eines Menschen unentbehrlich sind, stehen nicht beliebig jedermann zur Verfügung. Das persönliche Eigentum wurde für so wichtig angesehen, dass es den Menschen mit in ihr Grab gegeben wurde (was wiederum die Voraussetzung dafür ist, dass Archäologen etwas über die Geschichte des Eigentums wissen können).

Aber was ist eigentlich Eigentum? Der physikalische oder geistige Gegenstand selbst kann es nicht sein. Denn der Apfel in meiner Hand oder der Satz, den ich gerade schreibe, könnte ja von anderen geklaut sein. Und der Ring an meinem Finger könnte längst verpfändet sein. Der Begriff des Eigentums ist abstrakter, als er scheint. Die überzeugendste Definition stammt von dem französischen Ökonomen Frédéric Bastiat (1801 bis 1850). Danach ist Eigentum eine Rechtsbeziehung zwischen Personen in Bezug auf Sachen. In einem Haus, welches mir gehört, habe ich das Recht, zu beherbergen, wen ich will (oder nicht). Eine Aktie, die mein Eigentum ist, gibt mir das Recht, die Dividende zu kassieren, die sie abwirft. Und sie gibt mir zugleich die Möglichkeit, das Papier an andere zu verkaufen, wenn ich mit der Kursentwicklung nicht mehr zufrieden bin. Eigentum regelt Besitzansprüche und verleiht Anrechte. Was will man mehr in einem Rechtsstaat?

Kein Wunder, dass das Recht auf privates Eigentum sowohl den neuzeitlichen Staat begründet als auch den Kapitalismus ermöglicht. Nach John Locke (1632 bis 1704) vereinigen sich die Menschen nur deshalb zu einem Staat, um gegenseitig ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Güter zu sichern. Wer, wenn nicht der Staat, sollte mittels Polizei und Gefängnissen eine Eigentumsordnung garantieren, wenn in einem Land Diebe und Plünderer umgehen? Das Privateigentum ist ein Recht menschlicher Freiheitsausübung, welches die Menschen selbst nur durch den Staat sichern können.

Doch es ist verflixt: Als Garant der freiheitlichen Eigentumsordnung nimmt der Staat sich zugleich das Recht heraus, in das Eigentum seiner Bürger empfindlich und mit Zwang einzugreifen. Denn nichts anderes als eine (Teil-)Enteignung bedeutet es, wenn der Fiskus den Bürgern ihr Geld wegnimmt und diesen Gewaltakt verharmlosend Steuern nennt. Würde der Staat ihnen sämtliche Früchte des Erfolgs wegsteuern, hätte er sich freilich auch die eigene Existenzgrundlage untergraben. Jeder Anreiz der Menschen, ihr Eigentum zu mehren, wäre dahin.

Das zeigt: Die Erwartung, von seinem Kapital einen Profit zu erhalten, die wichtigste Triebfeder einer Marktwirtschaft, beruht auf dem Recht auf Privateigentum. Nur wo Eigentum rechtlich garantiert wird, sind Menschen bereit, Ideen umzusetzen, Geld zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Eigentum schaffe Wohlstand, wusste schon Adam Smith (1723 bis 1790). Wo Eigentum nichts gilt, wäre unternehmerisches Handeln töricht.

Der peruanische Ökonom Herando de Soto fügt hinzu: „Privateigentum fördert per se das Gemeinwohl.“ Eine Marktwirtschaft braucht nicht nur Geld, sie braucht auch eine Rechtsordnung, sonst kommt sie nicht in Schwung. Zum Beweis deutet de Soto auf die Länder der Dritten Welt, wo zwar häufig Kapital in beträchtlichem Umfang vorhanden ist, aber das Vertrauen fehlt, dass unternehmerisches Handeln sich lohnt.

Eigentum verpflichtet die Menschen, ihre Freiheitsrechte aktiv umzusetzen. Doch der Satz „Eigentum verpflichtet“ wird in Deutschland zumeist ganz anders gedeutet. Im Grundgesetz stehen in Artikel 14 jene Sätze, die jeder Schüler im Sozialkundeunterricht lernt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Doch was ist damit gemeint? Ist dem Wohl der Allgemeinheit durch einen Spitzensatz der Einkommensteuer von 42 Prozent Genüge getan? Braucht es eine zusätzliche Reichensteuer? Müssen die Vorstandsgehälter durch ein Gesetz gekappt werden? Oder müssen gar Schlüsselindustrien sozialisiert werden?

Unter Berufung auf das Allgemeinwohl ist alles möglich. Denn Allgemeinwohl ist ein Wieselwort, in das sich alles hineininterpretieren lässt. Das Privateigentum konnte hierzulande noch nie ganz sicher sein. Immer drohte die Enteignung – vermeintlich im Interesse übergeordneter Gemeinwohlinteressen. Die Väter des Grundgesetzes stemmten sich gegen Vorstellungen der Kommunisten, wonach der Missbrauch des Eigentums zur Begründung wirtschaftlicher und politischer Macht bereits ein Anlass zur Enteignung hätte sein können. Aber den latenten Sozialismus der Gemeinwohlorientierung wollten 1948 auch die Konservativen nicht tilgen.

Auch das hat historische Gründe. Im Gegensatz zum römischen Recht, das einen strengen Begriff des Privateigentums kennt, hielten die nördlich der Alpen lebenden Germanen lange am Familieneigentum und Gemeindeeigentum fest. Im Familieneigentum stand die Hufe (huba), zu der die Wohngebäude mit Zubehör und Ackerfläche gehörten, während Brachland, Weide und Gewässer als Allmende im Eigentum der Gemeinde allen zugleich zur Verfügung standen.

„Die Kritik an einer liberalen Eigentumsordnung gehört in Deutschland zum Arsenal antiwestlicher Effekte“, sagt Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Warum? Weil das Recht auf Privateigentum für viele Menschen die Sünde der Ungleichheit in die Wirtschafts- und Sozialordnung gebracht hat. Wer an die Utopien von Jean-Jacques Rousseau glaubt, wonach im Urzustand alle Menschen gleich waren, für den setzt mit der ungleichen Verteilung von Grund und Boden die Abstiegsgeschichte der Zivilisation ein. Kein Wunder, dass kommunistische Träume das abendländische Denken seit dem Urchristentum beherrschen. Wo die Menschen diese Utopien umsetzten, ging immer alles schief: Das Eigentum war nichts mehr wert, und der Wohlstand schwand dahin.

Afrikanisches Wassernetzwerk gegruendet

Auf dem Weltsozialforum in Nairobi hat sich im Februar 2007 ein afrikanisches Wasser-Netzwerk (African Water Network) gegründet. Rund 250 Aktivisten verschiedener Organisationen kamen zur Vorstellung der Ziele. »Heute feiern wir die Geburt eines neuen Netzwerkes, um Widerstand gegen den Diebstahl unseres Wassers zu leisten, morgen werden wir den freien Zugang zum Wasser für alle feiern«, so Virginia Setshedi von der »South African Coalition against Water Privatisation«.
Mehr: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afrika/wasser.html

Kontakt:
Al-hassan Adam (Ghana Coalition against Privatisation of Water), 0736155485 (from local); 00254 736155485 (from abroad) – from Saturday 20/1, email alhassan.adam@gmail.com.
Anil Naidoo (Blue Planet Project), 0736539620 in Kenya; 001.613.233.2773 after the World Social Forum – email anil@canadians.org.

Die Armen und die Superreichen

Im Freitag vom 12.01.2007 schreibt Michael R. Krätke – Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität von Amsterdam – über die „Die Armen und die Superreichen“: Erstmals gibt es verlässliche Daten zur Verteilung von Einkommen und Privatvermögen in der Welt von heute.
http://www.freitag.de/2007/02/07020601.php

Vor etwas mehr als 250 Jahren stellte die Akademie von Dijon 1754 eine der damals beliebten Preisfragen: „Was ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen? Wird sie durch das natürliche Gesetz autorisiert?“ Jean Jacques Rousseau beteiligte sich an der Antwort mit der Abhandlung Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. Soziale und politische Ungleichheit, schrieb er darin, sei weder natürlich noch gottgewollt noch Konsequenz der natürlichen Ungleichheit der Menschen. Sie entstehe vielmehr mit und durch das Privateigentum, durch private Aneignung und Ausbeutung aller Reichtümer der Erde – und sie bedürfe der Legitimation, der Zustimmung aller (oder doch vieler). – Seither gilt die Erklärung der sozialen Ungleichheiten als Schlüsselfrage der Sozialwissenschaften, seither zielt die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft auf die Struktur der sozialen Ungleichheit und der damit verbundenen Unfreiheit für die große Mehrheit.

Es ist hinreichend bekannt, dass derzeit zwei Milliarden Menschen von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, die Hälfte der Weltbevölkerung von knapp zwei Dollar. Wir wissen, dass die soziale Ungleichheit weltweit rasch zunimmt, innerhalb der einzelnen Länder und Regionen ebenso wie zwischen „armen“ und „reichen“ Ländern. Zu Rousseaus Zeiten – so scheint es nach der Datenlage – war die ökonomische Ungleichheit zwischen den Weltregionen noch gering. Geringer jedenfalls als innerhalb der einzelnen Länder. Nach 1800 änderte sich das gründlich, und um 1900 herum betrug das Verhältnis zwischen dem durchschnittlichen Einkommensniveau in den reichen Ländern des „Nordens“ und dem in den armen Ländern des „Südens“ bereits 1 : 4. Ein Jahrhundert später, in der Ära der Globalisierung, haben wir ein Verhältnis von 1 : 30.

Heißes Eisen

Folglich wird die Kluft zwischen Armut und Reichtum weltweit immer größer, auch wenn die absolute Zahl der Armen in jüngster Zeit rückläufig scheint. Vorrangig eine Folge des Aufstiegs der „Schwellenländer“ China, Indien, Brasilien, Südkorea und Türkei. Nach wie vor leben aber 2,8 Milliarden Menschen auf der Welt in Armut, 1,3 Milliarden davon in extremem Elend. In Deutschland, einem der reichsten Länder, stieg die Zahl der Armen auf einen Bevölkerungsanteil von 13,5 Prozent, wie mittlerweile zwei „Armutsberichte“ der Bundesregierung eingestehen. Ein Armutszeugnis für sieben Jahre rot-grüner Regentschaft.

Wissenschaftliche Studien darüber, wie sich Armut und Reichtum verteilen, sind Mangelware. Für die globale Einkommensentwicklung reichen die aktuellsten Daten nur bis 1998. Für Weltbank und IWF war die soziale Ungleichheit im Weltmaßstab nie ein Thema von Rang. Für die Vereinten Nationen schon. Sie haben zuletzt mit dem Weltsozialbericht 2005 das rapide wachsende ökonomische Gefälle zwischen den Weltregionen wie innerhalb einzelner Länder als entscheidende Ursache von Gewalt und (Bürger-)Kriegsgefahr benannt und bezweifelt, ob das Millenniumsziel des Kopenhagener Weltgipfels von 1995, die extreme Armut in der Welt zu halbieren, je erreicht werden kann.

Kurz vor dem Jahreswechsel hat nun das World Institute for Development Economics Research (WIDER) der UN-Universität in Helsinki eine neue Studie veröffentlicht, die erstmals für mehr als 94 Prozent der Weltbevölkerung die Verteilung von Einkommen und Vermögen sowie deren Entwicklung bis zum Jahr 2000 detailliert untersucht. Damit wird eine große Forschungslücke annähernd geschlossen, die von der Bundesregierung mit ihrem Armutsbericht 2006 vornehm beklagt wurde. Wohl wissend, dass die Untersuchung des Reichtums der Reichen und Superreichen dieser Welt, der privaten Vermögen und des Kapitals, auf dem heutzutage Macht beruht, seit jeher eines der heißen Eisen ist, von denen die offizielle Sozialwissenschaft lieber die Finger lässt.

Aus einzelnen Länderstudien wissen wir seit langem, dass die Vermögensverteilung in aller Regel noch weit ungleicher ausfällt als die Einkommensverteilung. Ein halbwegs zutreffendes Bild von der tatsächlichen ökonomischen Ungleichheit erhält nur, wer beides gleichermaßen analysiert. Die Autoren der WIDER-Studie haben das zum ersten Mal getan. Dank ihrer Pionierarbeit verfügen wir endlich über einigermaßen verlässliche Daten zum Verhältnis von Armut und Reichtum in der Welt von heute. Untersucht wurde die globale Verteilung des Reichtums für die erwachsene Weltbevölkerung im Blick auf Haushaltsvermögen (netto, nach Abzug der Schulden).

Die Studie reicht bis 2000, aktuellere Daten sind weltweit nicht verfügbar. Nur für die relativ kleine Zahl von 18 Ländern gab es überhaupt vollständige Erhebungen, auf die WIDER zurückgreifen konnte. Für eine Reihe weiterer Staaten war man auf Umfragedaten angewiesen, die freilich einen gewaltigen Nachteil haben: Schulden und Finanzvermögen (besonders Immobilien) werden in der Regel nicht vollständig oder viel zu niedrig angegeben. Dies schlägt auf die Schätzungen durch, die von den Autoren der Studie mit Hilfe der Datensätze aus 38 Ländern für weitere 150 vorgenommen wurden.

In der Topliga

Dem vorliegenden Material lässt sich entnehmen: 90 Prozent des weltweiten Reichtums (Netto-Haushaltsvermögens) befinden sich in Nordamerika, Europa und im asiatisch-pazifischen Raum (Japan, Australien). Auf Nordamerika, mit sechs Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung entfällt allein ein Drittel des Weltvermögens – auf Indien mit mehr als 15 Prozent der Erwachsenen weltweit hingegen nur ein knappes Prozent. Aber auch zwischen den reichen Ländern des Nordens variieren die Vermögenswerte beträchtlich: In Irland gehören dem obersten einen Prozent der Vermögenden 10,4 Prozent aller privaten Haushaltsvermögen, in der Schweiz sind es nicht weniger als 34,8 Prozent, in den USA (wegen notorisch unvollständiger Daten für die Superreichen) „nur“ 33 Prozent. Dafür entfallen dort auf die Spitzengruppe der obersten zehn Prozent der Vermögensinhaber fast 70 Prozent der gesamten privaten Haushaltsvermögen. In China halten die obersten zehn Prozent gerade 40 Prozent.

Wer zur Topliga der Reichen dieser Welt gehören will, muss über ein Vermögen von mehr als 500.000 Dollar verfügten. Diese Spitzengruppe umfasst immerhin 37 Millionen Erwachsene. Seit dem Jahr 2000 dürfte sich die Mindestsumme an Vermögen, die man braucht, um in diese Kategorie aufzurücken, jedoch erhöht haben – um geschätzte 32 Prozent.

Daraus folgt, dass den obersten zehn Prozent gut 85 Prozent des Weltvermögens gehören. Wer sich zu dieser Gruppe rechnen darf, besitzt im Durchschnitt 40 mal mehr als der Weltdurchschnittsbürger. In der unteren Hälfte dieser Pyramide muss sich die Hälfte der erwachsenen Weltbevölkerung hingegen mit gerade einmal einem Prozent des Weltvermögens begnügen.

Nehmen wir den berühmten Kuchen, den die konservativen Damen und Herren so schätzen, um uns und sich weiszumachen, jede Umverteilung sei sinnlos, da man bekanntlich nicht mehr verteilen könne als produziert werde. Übertragen wir die Struktur der weltweiten Vermögensverteilung auf eine Gruppe von zehn Menschen, die sich den bewussten Kuchen teilen, dann müssen wir uns einen Herrn vorstellen, der 99 Prozent des Kuchens für sich allein beansprucht, während sich die übrigen neun das verbleibende eine Prozent teilen. Würde der Kuchen umverteilt, würde der eine nicht daran sterben, und den anderen neun ginge es erheblich besser als zuvor.

Wo sind die Reichen und Superreichen dieser Erde zu finden? Nordamerika, Europa, Japan und Australien wurden bereits erwähnt. In den USA zum Beispiel leben 37 Prozent der Superreichen, es folgt Japan mit 27 Prozent. Auf Brasilien, Indien, Russland, die Türkei und Argentinien entfällt jeweils knapp ein Prozent der globalen Spitzengruppe, China hat schon 4,1 Prozent der reichsten Weltbürger vorzuweisen. Nach der WIDER-Studie gab es 2000 bereits 13,5 Millionen Dollar-Millionäre weltweit (erheblich mehr also als in den Studien der Vermögensverwalter Merrill-Lynch und Forbes verzeichnet) und genau 499 Vermögens-Milliardäre. Inzwischen dürften es erheblich mehr sein.

Der Autor ist Professor für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität von Amsterdam.

Privatgefaengnis in Hessen, Justizminister: Ersparnis und Vollbeschaeftigung

Die Faz berichtete am 9. Januar:

Das erste teilprivatisierte Gefängnis Deutschlands hat sein erstes Jahr mit Erfolg abgeschlossen. Das sagte der hessische Justizminister Jürgen Banzer (CDU) am Montag in Wiesbaden. Das Modell der Justizvollzugsanstalt Hünfeld habe inzwischen sogar Schule gemacht; in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt würden derzeit ebenfalls teilprivatisierte Haftanstalten errichtet. Nach Angaben Banzers liegen die Haft- und Betriebskosten in Hünfeld rund 10 Prozent niedriger als in vergleichbaren rein staatlichen Anstalten.

Mit einer Beschäftigungsquote unter den rund 450 Insassen von 76 Prozent sei annähernd Vollbeschäftigung erreicht, da ein Fünftel der Häftlinge aus Alters- oder Gesundheitsgründen ohnehin nicht arbeitsfähig sei. Die Tätigkeiten reichten vom Verpacken von Werbegeschenken bis zur Metallbearbeitung für Autozulieferer. Wie der Anstaltsleiter Werner Päckert sagte, erhält ein berufstätiger Gefangener 8 bis 10 Euro am Tag; das sei knapp ein Zehntel dessen, was der jeweilige Auftraggeber bezahlen müsse. In den anderen hessischen Gefängnissen seien im Durchschnitt nur 56 Prozent der Häftlinge beschäftigt, sagte Banzer. Ausbrüche habe es noch gar nicht gegeben.

In Hünfeld hat die private Serco GmbH aus Bonn Aufgaben wie Bauunterhaltung, Reinigung, Küche, medizinische und pädagogische Betreuung sowie Arbeitsbeschaffung und Betrieb der Werkstätten übernommen. Dafür sind 102 Mitarbeiter beschäftigt. Für die hoheitlichen Aufgaben – insbesondere die unmittelbare Bewachung der Gefangenen – sind 115 Vollzugsbeamte zuständig. Serco ist eine Tochter des britischen Dienstleistungskonzerns Serco Group, der in Deutschland auch in anderen öffentlichen Bereichen tätig ist, darunter im Gesundheitswesen, im Transport und in der Verteidigung.

Mit der Inbetriebnahme von Hünfeld sei die Überbelegung im hessischen Männervollzug beseitigt worden, sagte Justizminister Banzer weiter. Der Serco-Geschäftsführer Klaus Tiemann ergänzte, sein Personal sei sorgfältig ausgewählt worden und erhalte eine „leistungsgerechte, an marktüblichen Tarifen orientierte Bezahlung“.

Banzer räumte allerdings ein, dass das Modellprojekt unter erleichterten Bedingungen arbeite. So komme niemand nach Hünfeld, der wegen eines Sexual- oder Tötungsdelikts verurteilt worden sei und länger als fünf Jahre Haft zu verbüßen habe. Die SPD-Opposition im Landtag äußerte dagegen erneut grundsätzliche Kritik. „Erfolge sehen wir nicht“, äußerte die Abgeordnete Nancy Faeser. Stattdessen komme es regelmäßig zu Konflikten, weil private Bedienstete keinen körperlichen Zwang ausüben dürften. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten forderte ein Ende des Experiments. Die erwarteten Einsparungen ließen sich nicht erzielen, meint der Interessenverband ebenso wie Faeser.

Text: F.A.Z., 09.01.2007, Nr. 7 / Seite 11

Privatisierung von Polizeiaufgaben

Die taz-nrw meldete bereits am 20.7.2006:

Polizei: Minister für Privatisierung
DÜSSELDORF taz NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) hat Vorwürfe der oppositionellen Sozialdemokraten bestätigt, er plane die Privatisierung von Polizeiaufgaben (taz berichtete). „An geeigneten Stellen wird es Privatisierungen geben“, so Wolf. Dies betreffe zunächst die Bereiche „Beschaffungswesen und Technik“ und keine hoheitlichen Aufgaben, so ein Sprecher. Auch Radarwagen sollen nicht mehr mit Polizeibeamten besetzt werden – dies könnten andere Landesbedienstete übernehmen. WYP

Dazu jetzt eine schöne Online-Umfrage im „politikforum.de“ mit vielsagendem Online-Forum…

Pressespiegel: Trubel in der Linken um Privatisierungspolitik

Tagesspiegel, 04.07.2006
Für PDS-Realos ist Lafontaine ein Problem. Staatsverständnis ist einer der Streitpunkte
Von Matthias Meisner
Berlin – In der PDS wächst die Sorge, dass Oskar Lafontaine in einer vereinigten Linken zu mächtig werde könnte. Mehrere prominente Landes- und Bundespolitiker verständigten sich unter der Überschrift „Abschied und Wiederkehr“ auf einen „Aufruf aus der PDS zur neuen Linkspartei“. Das Papier verzichtet zwar auf eine direkte Abrechnung mit dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. In einer ganzen Reihe von Punkten gehen die Unterzeichner aber auf Abstand zu Positionen Lafontaines, die dieser vor wenigen Wochen im Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei durchgesetzt hatte. Unter dem Einfluss Lafontaines könnte die neue Linkspartei programmatisch zurückfallen, heißt es aus dem Kreis der Autoren. Streitpunkte sind unter anderem das Staatsverständnis der neuen Linken, aber auch die Haltung zu Regierungsbeteiligungen. Unterzeichner des Papiers sind unter anderem die Landesvorsitzenden aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Klaus Lederer, Thomas Nord und Matthias Höhn, daneben dem Reformflügel zuzurechnende Bundespolitiker wie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Vizeparteichefin Katina Schubert und der Berliner Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich. Für die Klausurtagung der 53 Bundestagsabgeordneten, die am Montag in Rostock-Warnemünde begann, liefert das Papier Zündstoff. Lafontaine streitet für eine Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, kämpft kategorisch gegen den Abbau des öffentlichen Dienstes. Die Autoren des PDS-Papiers, das dem Tagesspiegel vorliegt, werben dagegen für mehr Differenzierung, stellen die Bedeutung des Kompromisses in der politischen Auseinandersetzung heraus: Es reiche heute „nicht aus, nur auf den Staat, seine Gesetze und sein Geld zu schauen“. Das Versagen der Reformpolitik erkläre sich auch „aus dem fehlenden innovativen Unterbau in der Gesellschaft, aus der alleinigen Verantwortungszuweisung an den Staat“. Der Aufruf erinnert auch an die Erfahrungen der PDS in Parlamenten und Landesregierungen, ein „großer Vorteil“, den man hart erarbeitet habe.
Schon in der jüngsten Vergangenheit hatte es mehrere kritische Wortmeldungen gegeben. Sachsen-Anhalts PDS-Chef Höhn sowie der dortige Fraktionsvorsitzende Wulf Gallert – Mitunterzeichner auch des neuen Papiers – hatten in Lafontaines Gründungsmanifest „keine tragfähige Basis“ für eine Vereinigung erkannt. Die Gefahr des inhaltlichen Scheiterns sei „sehr real“, sagte Gallert dem „Neuen Deutschland“. Thomas Falkner, früherer Leiter der Strategieabteilung in der Parteizentrale, warnte, die Preisgabe der „alten PDS“ und die „Überforderung der WASG“ würden die „große historische Chance“ der neuen Linken zerstören. Zusammen mit der brandenburgischen Fraktionschefin Kerstin Kaiser kritisierte Falkner, die Linkspartei sei derzeit „faktisch nicht beziehungsweise nur unter großen internen Störungen“ regierungsfähig.

Junge Welt 08.07.2006, Titel, Seite 1
Privat zum Sozialismus
Rainer Balcerowiak
Geht es nach dem Willen von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dann wird sich die Linkspartei.PDS an einer von der WASG und anderen Gruppen geplanten bundesweiten Antiprivatisierungskampagne im Herbst nicht beteiligen. In einer jW vorliegenden Beschlußvorlage, die am Montag im Parteivorstand abgestimmt werden soll, heißt es klipp und klar: »Die Forderung ›keine Privatisierung‹ resp. ›Den Privatisierungswahn stoppen‹ ist in dieser Form nicht für eine politische Kampagne geeignet, weil zu unbestimmt und abstrakt.« Zudem kollidiere die geplante Kampagne mit den für diesen Zeitraum geplanten bundesweiten Aktionen für einen gesetzlichen Mindeslohn, die bis November durchgeführt werden sollen. Doch in dem Antrag von Bartsch wird deutlich, daß es keinesfalls um terminliche Mißhelligkeiten geht. In den zur Begründung formulierten »Thesen zum weiteren Umgang mit diesem Politikfeld« wird die bisher von der Bundespartei und auch der Bundestagsfraktion formulierte strikte Ablehnung von Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge in Frage gestellt: »Privatisierungsbestrebungen von Bund, Ländern und Kommunen haben (…) auch einen Ansatzpunkt im realen Zustand der öffentlichen Haushalte, der öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Unternehmen.« Statt einer undifferenzierten Antiprivatisierungshaltung müsse die Partei »Positiv- und Negativkriterien« für den Verkauf öffentlichen Eigentums entwickeln.
Dem Autor dürfte die Brisanz seines Vorstoßes klar sein. In der Partei und auch aus den Reihen der WASG gab es in den letzten Wochen und Monaten massive Kritik am Verhalten von Kommunal- und Landespolitikern der Linkspartei.PDS besonders in Dresden und Berlin. In der sächsischen Landeshauptstadt stimmte eine Mehrheit ihrer Fraktion dem Komplettverkauf der städtischen Wohnungen zu. In Berlin haben mitregierende Sozialisten unter anderem einer Gesetzesnovelle zur Renditegarantie für die privatisierten Wasserbetriebe zugestimmt, in der die Kalkulationsgrundlagen für vereinbarte Preiserhöhungen zum »Geschäftsgeheimnis« erklärt und somit der Kontrolle der Abgeordneten entzogen werden. Auch das Gesetz zur Sparkassenprivatisierung kommt aus dem Haus eines Linkspartei.PDS-Senators. Diese neoliberale politische Praxis hatte unter anderem Oskar Lafontaine intern und öffentlich scharf kritisiert, und auch die gemeinsame Linksfraktion im Bundestag hat sich in Erklärungen – zuletzt auf einer Fraktionsklausur in dieser Woche – mehrheitlich gegen weitere Privatisierungen ausgesprochen. Da will Bartsch offensichtlich gegensteuern. In der Linken und in seiner Partei sei »durchaus streitig, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muß und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muß.« Kontroversen gebe es auch in der Frage »inwieweit die Antwort auf Markt und Profitdominanz zwingend öffentlicher Dienst, administrative Regulative und öffentliches Eigentum sein müssen«. Das Parteiprogramm der Linkspartei.PDS stelle »nicht eine bestimmte Eigentumsform in den Mittelpunkt«. Denkbar sei außer öffentlichem Eigentum auch »progressive Entstaatlichung« als »notwendiger Teil einer Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus«. Man darf gespannt sein, ob der Parteivorstand am Montag der Idee, mittels Privatisierungen zum Sozialismus zu kommen, mehrheitlich folgen wird.

Lnkszeitung.de, 09.07.2006
WASG plant bundesweite Kampagne gegen Privatisierung Gegen Verschleuderung öffentlichen Eigentums
Berlin (ppa). Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG, haben jetzt ihre Absicht bekundet, gemeinsam mit Linkspartei, GlobalisierungskritikerInnen, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. „Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muss jetzt endlich Schluss gemacht werden“, so Weck und Händel am Sonntag. Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, dass der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden.
Die WASG hatte auf ihrem Bundesparteitag im April u.a. die Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ beschlossen. Ähnlich beschloss die Linkspartei.PDS auf ihrem zeitgleichen Bundesparteitag in Halle/S. eine Kampagne „Privatisierungswahn stoppen – Öffentliche Daseinsvorsorge erhalten“.

Tagesspiegel, 10.07.2006
Linkspartei zankt um Privatisierung
Berlin – Zum zweiten Mal binnen weniger Tage versucht der Reformerflügel der PDS, die Partei auf mehr Realitätssinn einzuschwören. In einer Vorlage für die Sitzung des Parteivorstands an diesem Montag in Berlin schlägt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vor, auf eine geforderte Kampagne gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums zu verzichten. In dazu von ihm vorgelegten Thesen wirbt er in der Debatte für ein undogmatisches Vorgehen. In der Linken selbst sei die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums „nicht unumstritten, sondern differenziert“. Bartsch schreibt: „Streitig ist durchaus, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muss und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muss.“
Indirekt geht Bartsch mit seinem Vorstoß auch auf Distanz zum Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine. Schon vor der Klausur der Bundestagsfraktion vergangene Woche in Rostock hatten führende Landespolitiker Lafontaines Staatsbegriff kritisiert. Im von Lafontaine durchgesetzten Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei heißt es, die Linke wolle „Schluss machen mit einer Politik, die das öffentliche Vermögen verkauft und damit die Bevölkerung enteignet“. Statt einer „neoliberalen Privatisierung“ wolle sie eine staatliche und kommunale Verantwortung für Bildung und Gesundheit, Wasser- und Energieversorgung, für Stadtentwicklung und Wohnungen, für öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie für wichtige Teile der Kultur. Bartsch hingegen argumentiert, auch eine „progressive Entstaatlichung“ könne notwendiger Teil einer „Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus sein“.m.m.

Junge Welt, 10.07.2006
Abgeschrieben*: WASG will bundesweite Kampagne gegen Privatisierung starten
* Wir dokumentieren in Auszügen eine Medieninformation des Bundesvorstandes der WASG vom Sonntag: Der Bundesvorstand der WASG hat nachdrücklich seine Absicht bekräftigt, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierung zu starten. Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG unterstrichen ihre Absicht gemeinsam mit Linkspartei, Globalisierungskritikern, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, so Weck und Händel am Sonntag.
Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums« in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, daß der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden. (…)

Neues Deutschland, 11.07.2006, URL: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=93383&IDC=2
Linkspartei will mit Kampagne warten
WASG drängt auf Aktion gegen Privatisierung Von Tom Strohschneider
Zwischen Wahlalternative WASG und Linkspartei gibt es Unstimmigkeiten über Termin und Ausrichtung einer Kampagne gegen Privatisierungen. Der Vorstand der Linkspartei hat gestern bei einer Gegenstimme beschlossen, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierungen nicht vor Abschluss der Aktivitäten für einen Mindestlohn vorzubereiten. Mit dem Start entsprechender Aktivitäten ist demnach nicht vor 2007 zu rechnen. In einer von PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch eingereichten Vorlage heißt es, »zwei Kampagnen gleichzeitig lassen sich nicht führen«. Außerdem seien die Forderungen »Keine Privatisierungen« bzw. »Den Privatisierungswahn stoppen« für eine politische Kampagne »zu unbestimmt und abstrakt«, also nicht geeignet. Der Vorstand möge stattdessen weiterhin regionale Aktivitäten und kommunale Kampagnen politisch und materiell unterstützen.
Darüber hinaus war in dem Papier darauf hingewiesen worden, dass »die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums« auch in der Linken »nicht unumstritten« sei, etwa mit Blick auf Rolle und Aufgaben des Staates. Die »grundsätzliche Position« der Linkspartei bleibe davon aber unberührt. Der Parteivorstand müsse jedoch praxistaugliche Kriterien weiterentwickeln, so das Papier. Nach dessen Bekanntwerden hatte sich die WASG-Spitze am Wochenende in einem Brief an den PDS-Vorstand gewandt und nochmals die Notwendigkeit einer Anti-Privatisierungs-Kampagne bekräftigt. Die WASG strebt einen Kampagnen-Start im November an. Der Bundesvorstand hatte bereits Anfang Juli eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Aktion »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen Privatisierung öffentlichen Eigentums« vorbereiten soll. Erste gemeinsame Beratungen, so das Angebot an die Sozialisten, könnten am 15. Juli stattfinden. Die Linkspartei-Spitze gab gestern grünes Licht für die Teilnahme an diesem Gespräch, sieht aber noch weiteren Klärungsbedarf.
In der WASG-Spitze zeigte man sich gestern irritiert – nicht zuletzt, weil es in der Vorlage Bartschs heißt, Initiativen für eine Kampagne seitens des WASG seien der Linkspartei nicht bekannt. Zum Zeitpunkt, zu dem die Beschlussvorlage des PDS-Geschäftsführers verfasst wurde, hatte die WASG-Spitze ihre Arbeitsgruppe zwar noch nicht gebildet. Jedoch hätte man dies, so die Kritik, jederzeit – etwa während der Fraktionsklausur in der letzten Woche – in Erfahrung bringen können.

Junge Welt, 11.07.2006, URL: http://www.jungewelt.de/2006/07-11/038.php
Basis watscht Bartsch ab
Jörn Boewe
Dietmar Bartsch fand es gar nicht witzig. Eigentlich hatte der Geschäftsführer der Linkspartei.PDS gehofft, der Vorstand würde am Montag seinen Antrag, eine geplante Antiprivatisierungskampagne fallenzulassen, ohne viel Aufsehen durchwinken. Aber nach den zahlreichen wütenden Protestmails und Anrufen vom Wochenende war ihm schon klar, daß das schwierig werden würde.
Die Kampagne findet doch statt, aber nicht vor 2007. Auf diese salomonische Lösung verständigte sich der Parteivorstand am Montag nachmittag. Zur Vorbereitung wird ein gemeinsamer Arbeitskreis mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gebildet, an dem für die Linkspartei die Vorstandsmitglieder Sahra Wagenknecht und Harald Werner beteiligt sein werden. Auf ihrem Bundesparteitag Ende April in Halle hatte die Linkspartei beschlossen, gemeinsam mit der WASG im Herbst eine »Kampagne zum Stopp des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums und zur Zurücknahme der unsozialen Privatisierungspolitik im Bereich der Daseinsvorsorge« zu führen. Doch die Gegenoffensive des Apparats ließ nicht lange auf sich warten. Wie jW am Sonnabend berichtete, hatte Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in einem Antrag an den Parteivorstand gefordert, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen. Vordergründig argumentierte er, man könne neben der bereits laufenden Aktion zum Thema Mindestlohn keine zweite Kampagne führen. Wenn die im November beendet sei, stünde der Parteibildungsprozeß auf der Agenda und nicht eine neue Kampagne. In den Thesen, mit denen Bartsch seinen Antrag untermauerte, wird indes deutlich, daß es um mehr geht, nämlich um eine ideologische Rechtfertigung der Privatsierungspolitik, die Linksparteifunktionäre nicht nur in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in zahlreichen Kommunen betreiben. Nahegelegt wird, daß Privatisierung ein Weg zur »Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen« sei. Unstrittig sei lediglich, daß die Linke Privatisierung »nicht aktiv« initiieren und vorantreiben solle. Während die Linksparteiführung das leidige Problem erstmal in einen Arbeitskreis verschoben hat, hält die Schwesterpartei WASG das Thema nach wie vor für zentral. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, hatten die WASG-Bundesvorstandsmitglieder Felicitas Weck und Thomas Händel in einer am Sonntag verbreiteten Erklärung gefordert. In einem Brief an den Linksparteivorstand hatte die WASG Ende letzter Woche vorgeschlagen, noch im Juli mit Arbeitstreffen zur Vorbereitung der Kampagne zu beginnen. »Privatisierung der Daseinsvorsorge greift in wesentliche demokratische Rechte ein«, bekräftigte Felicitas Weck die WASG-Position gestern gegenüber jW, »Wir können uns nicht immer stärker von Konzernen unter Druck setzen lassen.«

analyse&kritik macht Schwerpunkt Privatisierung

Die Ausgabe läuft unter dem Schwerpunkt Privatisierung ist politisch. Aus dem Inhaltsverzeichnis der kommenden Ausgabe 507 vom 16.6.2006:

  • Was ist und welchem Zweck dient Privatisierung? Anmerkungen zu einer linken Politik öffentlicher Güter
  • Privatisierung von Bildung. Wandel der fordistischen Bildungshierarchie
  • Die verkaufte Stadt. Wohnungsprivatisierung und Finanzinvestoren
  • Bahnprivatisierung. Als aus dem Ob ein Wie wurde
  • Für eine Politik öffentlicher Güter. Erste Annäherungen

Und auf Papier im gut sortierten Kiosk/Bahnhofsbuchhandel.

Kraeuter: Arznei oder Lebensmittel?

In Brandenburg dürfen Bauern keine Kräutertees mehr produzieren und verkaufen. Begründung: Nach dem Arzneimittelgesetz bräuchten sie dazu eine pharmazeutische Ausbildung. Grüne: Damit wird die Verwertung traditionellen Wissens monopolisiert.
Für die taz von MARINA MAI aus Belzig:
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, heißt es. Weil er weder Arzt noch Apotheker ist, darf Landwirt Thomas Beutler keine Tees mehr produzieren und verkaufen, die Risiken und Nebenwirkungen haben könnten. Insgesamt elf Kräuter wie Birkenblätter, Malvenblüten, Frauenmantelkraut und Hirtentäschel hat das Brandenburgische Gesundheitsministerium als Arzneimittel statt als Lebensmittel eingestuft. Bauern ist damit die Produktion untersagt. Was wie eine Provinzposse begann, beschäftigt jetzt auch den Deutschen Bundestag. Die bündnisgrüne Abgeordnete Cornelia Behm hat einen schriftlichen Bericht der Bundesregierung über Kräuter vom Bauern angefordert. Auch im Agrarausschuss ist das Thema angemeldet.
Bisher hatte Beutler, der im brandenburgischen Belzig lebt, die Wiesen und Wälder der dünn besiedelten Fläming-Region nach diesen Kräutern abgesucht. Die Tees bot er als regionaltypische Produkte in Touristenshops an. Nicht als Einziger. Auch dem Inhaber eines großen Fruchthofs ist beispielsweise untersagt worden, Zitronenmelisse an Fruchtgelees zu mischen. Beutler wehrt sich juristisch gegen das Verbot. Das Ministerium hat gegen ihn Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz erstattet.
Aus anderen Bundesländern sind keine vergleichbaren Fälle bekannt. Doch Brandenburg hat sich mit einer bundesweiten Umfrage abgesichert: Demnach soll die Mehrheit der Länder die Brandenburger Einordnung der Kräuter als Arznei mittragen.
Das will die Grüne Cornelia Behm nicht einfach hinnehmen. Es könne nicht sein, „dass viele Kräuter, die seit Jahrhunderten ganz selbstverständlich verwendet werden, nicht mehr von kleinen bäuerlichen Betrieben, sondern nur noch von Pharmazeuten produziert und vertrieben werden dürfen“. Der Bericht der Bundesregierung soll in nächster Zeit vorliegen. Behm: „Ob die Brandenburger Praxis dann Bestand hat, wird sich ja zeigen.“
Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretär Winfrid Alber (SPD) verteidigt das Kräuterverbot. „Johanniskraut, Weißdornbeeren und die anderen anstehenden Kräuter fallen unter das Arzneimittelgesetz, weil sie bundesweit eine Standardzulassung als Arzneimittel haben“, hatte er im Februar erklärt. Behörden hätten deshalb „keinerlei Ermessensspielraum, einen Vertrieb als Lebensmittel zu gestatten“. Lediglich bei einem verbotenen Kraut, dem Spitzwegerich, sei sein Ministerium zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen und müsse die Rechtslage erneut prüfen. Inzwischen will sich das Brandenburger Gesundheitsministerium zum Kräuterverbot allerdings nicht mehr öffentlich äußern, erklärte eine Sprecherin.
Landwirt Beutler vergleicht seine Situation mit der von Bauern in Staaten der Dritten Welt. „Dort gibt es immer wieder Versuche der Pharmaindustrie, Pflanzen und traditionelles Heilwissen zum Patent anzumelden, um sich ein Monopol zu sichern.“ In Deutschland brauche die Pharmaindustrie nicht einmal ein Patent. „Es reicht eine Standardzulassung als Arzneimittel“, so Beutler. „Dann schaffen Ministerialbeamte den Pharmabetrieben lästige Mitbewerber vom Hals.“
Um Arzneimittel produzieren zu dürfen, benötigt ein Betrieb eine Anzeige beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine spezielle Herstellungserlaubnis vom Land. Dazu sind nach Auffassung der Brandenburger Behörden pharmazeutisch ausgebildetes Personal und spezielle räumliche Voraussetzungen erforderlich. Beutler hält diese Investitionen für bäuerliche Kleinbetriebe schlicht für nicht machbar.
taz vom 8.4.2006, S. 8, 121 Z. (TAZ-Bericht), MARINA MAI

Globale Landwirtschaft und die Macht kapitalistischer Agrarindustrie

Im Ak plediert Gregor Samsa für eine Wiederentdeckung des Themas globale Agrarpolitik durch die Linke: http://www.akweb.de/ak_s/ak502/16.htm
Die Konsequenzen agrarpolitischer Beschlüsse durch die WTO und anderer, gleichfalls auf Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung abzielender Vertragswerke betreffen unmittelbar Hunderte Millionen Menschen, womöglich mehr.

Moderne Raubzuege

In der Jungen Welt vom 1.4.06, S. 10 beschreibt Sahra Wagenknecht, wie deutsche Großbanken in Zusammenspiel mit der EU-Kommission, dem Berliner Senat und der Anwaltskanzlei Freshfields die Privatisierung von Sparkassen durchsetzen wollen.
Privare = rauben (Latein). Damit ist über das Wesen von Privatisierungen eigentlich alles gesagt. Es geht um den Raub von gesellschaftlichem Vermögen und die Umleitung von Einnahmen (Zinsen, Mieten, Dividenden u.a.) auf private Konten bei gleichzeitiger Abwälzung von Schulden, Risiken und sonstiger »Altlasten« auf die Allgemeinheit. Erwünschter Nebeneffekt ist die Zerschlagung organisierter Kernbelegschaften im öffentlichen Dienst, um künftigen Streikaktionen vorzubeugen und flächendeckend Löhne senken zu können.
Zum Gelingen derartiger Raubzüge tragen verschiedene Akteure bei. So bedienen sich die Großbanken und Konzerne willfähriger Anwaltskanzleien zur juristischen Absicherung ihrer Beute; hinzu kommen unerfahrene oder korrupte Politiker, die auf kurzfristige Privatisierungserlöse schielen, ohne die langfristigen Folgen zu berücksichtigen, und Institutionen wie die EU-Kommission, die keine Gelegenheit auslassen, die Privatisierung öffe ntlicher Güter im Interesse des Großkapitals voranzutreiben. Wie die verschiedenen Akteure zusammenwirken und welche Tricks sie anwenden, um eine Privatisierung selbst in jenen Bereichen zu erzwingen, in denen die Widerstände gegen einen Ausverkauf öffentlicher Güter groß sind, soll im Folgenden am Beispiel der Berliner Sparkasse beschrieben werden.
Lobbypartner EU-Kommission
Das aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken gebildete Drei-Säulen-Modell in Deutschland ist den privaten Großbanken schon lange ein Dorn im Auge. Schließlich verhindert es die Übernahme von Sparkassen und steht damit einer Machtkonzentration im deutschen Bankenmarkt im Weg. Daß die deutschen Banken »im Geschäft mit Privatkunden unter der Konkurrenz der Sparkassen leiden und daher nicht annähernd an die Ergebnisse ihrer ausländischen Konkurrenz herankommen« (Handelsblatt 3.8.04) ist ein Verslein, das die deutsche Bankenlobby bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholt. Sie weiß, wo sie hinwill.
In Italien etwa wurde im Gefolge einer rüden Privatisierungspolitik der Marktanteil des staatlichen Bankensektors von 75 Prozent Anfang der neunziger Jahre auf nur noch zehn Prozent heruntergedrückt. Parallel zu diesem Prozeß explodierten die Gebühren für Bankdienstleistungen. Im Ergebnis kostet ein Girokonto in Italien heute doppelt so viel wie im europäi schen Durchschnitt.
In Deutschland hingegen ist der Widerstand gegen eine Privatisierung von Sparkassen nach wie vor groß. Folgerichtig suchte und sucht der Bundesverband Deutscher Banken nach Bündnispartnern in Brüssel. Mit Erfolg: 2005 wurden nach einem Entscheid der Europäischen Kommission die Staatsgarantien für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute abgeschafft, was die Sparkassen und Landesbanken dazu zwingt, ihre Geschäftspolitik stärker an den Renditeerwartungen der Kapitalmärkte auszurichten. An der Aushandlung dieses Deals war als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium übrigens just jener Caio Koch-Weser beteiligt, der kürzlich von der Deutschen Bank mit einem hochdotierten Posten für seine Lebensleistung belohnt wurde.
Aber damit nicht genug: Derzeit erwägt die EU-Kommission, das seit 2003 ruhende Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wieder aufzunehmen, das zur Zulassung privater Sparkassen führen könnte. Im Mittelpunkt des Verfah rens steht das in Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes (KWG) verankerte Namensmonopol für Sparkassen, das den Namen »Sparkasse« für den öffentlichen Bereich reserviert. Zwar ist es der EU-Kommission laut Artikel 295 des EU-Vertrags untersagt, sich in die Eigentumsordnung eines EU-Mitgliedslandes einzumischen, und auch die EU-Bankenrichtlinie erlaubt es, nur bestimmten Instituten den Namen »Sparkasse« zuzuordnen. Doch wo die Wirtschaftslobby ruft, ist Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy zur Stelle und wittert pflichtschuldig Verstösse »gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit«.
Folgen des Bankenskandals
Anlaß des erneuten Vorstoßes der EU-Kommission ist der für 2007 geplante Verkauf der Bankgesellschaft Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Sollte ein privater Investor bei der Veräußerung zum Zuge kommen, wäre dies sehr wahrscheinlich der von den privaten Banken lang herbeigesehnte Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen Modell zum Einsturz bringen kann.
Daß es eine Auflage der Europäischen Kommission zur Veräußerung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin überhaupt geben konnte, ist den Verantwortlichen des Berliner Bankenskandals anzulasten. Diese haben die Bankgesellschaft in den neunziger Jahren dazu benutzt, um ihre politischen und geschäftlichen Freunde mit Pöstchen und Krediten zu versorgen und hochlukrative Immobilienfonds zu teilweise sittenwidrigen Konditionen (von steuerlichen Verlustzuweisungen bis zu langjährigen Mietgarantien und dem Recht zur Rückgabe zum Nominalwert am Ende der Laufzeit) an etwa 70 000 Anleger aufzulegen. Risiken und Verluste aus diesem Geschäft wurden auf den öffentlich-rechtlichen Teil der Berliner Bankgesellschaft abgewälzt.
Die Sozialisierung der Verluste begann im August 2001, als das Land Berlin der Bankgesellschaft eine Kapitalzuführung von 1,755 Mrd. Euro zukommen ließ. Da diese Summe nicht ausreichte, um eine Pleite abzuwenden und das damalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred, heute BAFin) im November 2001 mit der Schließung der Bankgesellschaft drohte, beschloß das Berliner Abgeordnetenhaus am 9.4.2002 das Risikoabschirmungsgesetz, wodurch Risiken von bis zu 21,6 Milliarden Euro, die aus faulen Krediten, Wertverlust von Immobilien u. ä. resultieren, vom Land übernommen wurden.
Für die Verluste der Bankgesellschaft bezahlen mußten unter anderem die Bediensteten des Landes Berlin, deren Löhne und Vergütungen um durchschnittlich zehn Prozent gesenkt wurden. Laut Berliner Senat bringt dieser »Solidarpakt«, zu dem sich verdi nach dem Austrit t des Landes Berlin aus dem Arbeitgeberverband nötigen ließ, eine weitere Entlastung der Personalausgaben um 250 Millionen im Jahr 2003 und um jeweils 500 Millionen in den Jahren ab 2004.
Wie zu erwarten war, rief die Unterstützung der Bankgesellschaft durch das Land Berlin die Brüsseler Wettbewerbshüter auf den Plan. Zwar wurden die staatlichen Beihilfen von der EU-Kommission nachträglich genehmigt; allerdings nur unter der Bedingung daß sich die Bankgesellschaft von mehreren Tochtergesellschaften trennt und 2007 selbst verkauft wird. Damit könnte die zur Bankgesellschaft gehörende Berliner Sparkasse die erste öffentliche Bank in Deutschland werden, die von privaten Investoren übernommen wird. Sicher ist dies allerdings noch nicht. Denn nach wie vor gilt Paragraph 40 des Kreditwesengesetzes, der es privaten Banken nicht erlaubt, eine Sparkasse zu betreiben. Sollte eine private Bank im Bieterverfahren zum Zuge kommen, müßte die erworbene Bank also unter anderem N amen weitergeführt werden. Das freilich ist gerade nicht der Sinn der Sache.
Mit dem Berliner Sparkassengesetz, das seit Juni 2005 in Kraft ist, versuchte der Berliner Senat, das Unmögliche möglich zu machen: Die Sparkasse sollte de facto privatisiert, die öffentlich-rechtliche Fassade und damit der Name jedoch gewahrt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde die Sparkasse in eine teilrechtsfähige Anstalt umgewandelt und die Landesbank Berlin in eine Aktiengesellschaft transformiert, die vom Land Berlin mit der Trägerschaft an der Sparkasse beliehen wurde. Der Clou besteht also darin, daß die Sparkasse ein öffentlich-rechtliches Institut bleibt – allerdings unter dem Dach einer AG, die von privaten Investoren gekauft werden kann.
Fraglich ist allerdings, ob das Berliner Sparkassengesetz juristisch haltbar ist. Zwar existieren in diesem Gesetz einige Paragraphen, welche die Gemeinwohlverpflichtung der Berliner Sparkasse sichern sollen. Allerdings verfügt die Berliner Sparkasse als teilrechtsfähige Anstalt über kein eigenes Vermögen, und auch die von der Sparkasse erzielten Gewinne sollen in die Taschen des privaten Trägers fließen. Hier genau lauert das Problem: Eine Ausschüttung der Gewinne einer Sparkasse an Private ist mit Paragraph 40 KWG nicht vereinbar. Denn nach diesem Gesetz müssen die Überschüsse einer Sparkasse entweder beim Institut verbleiben oder gemeinnützig verwendet werden. Das sieht auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) so.
Da allerdings kein privater Investor auch nur einen müden Euro für ein Institut verausgaben dürfte, das seine Gewinne nicht ausschütten darf, hat Finanzsenator Sarrazin die BaFin in einem Brief gebeten, ihre Auffassung zu überdenken. Zur Unterstützung verweist er dabei auf die Tatsache, daß die Berliner Sparkasse schon in der Vergangenheit – seit Gründung der börsennotierten Bankgesellschaft im Jahr 1994 – ihre Gewinne an die Bankgesellschaft ausgeschütt et hat. »Würde Paragraph 40 KWG tatsächlich eine gemeinnützige Verwendung von Überschüssen voraussetzen und zugleich jegliche Ausschüttungen an private Träger ausschließen, so hätte die BaFin seit Schaffung des Konzerns Bankgesellschaft rechtswidrig gehandelt und müßte sich fragen lassen, warum sie seit zehn Jahren nicht gegen die Verwendung der Bezeichnung ,Berliner Sparkasse‘ eingeschritten ist«.
Richtig ist daran, daß schon die Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG gegen geltendes Recht verstoßen und die undurchsichtige Struktur der Bankgesellschaft AG sowie die daraus resultierende unheilvolle Vermischung privater Interessen mit öffentlichen Haftungsgarantien zum Bankenskandal geführt hat. Mit Verweis auf rechtswidrige Bestimmungen der Vergangenheit nun allerdings zu fordern, man müsse erneut ein Institut schaffen, das die öffentlich-rechtliche Fassade mißbraucht, um möglichst hohe Profite auf private Konten zu schleusen, ist mehr als dreist.
An die Überzeugungskraft seines Arguments scheint Sarrazin daher selbst nicht recht zu glauben. Aus eben jenem Grund hat er Binnenmarktkommissar McCreevy zur Wideraufnahme des besagten Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Namensmonopol der Sparkasse angeregt. Die unabsehbaren Folgen, die eine Privatisierung von Sparkassen für die mittelständische Wirtschaft, die Beschäftigten und Verbraucher in ganz Deutschland nach sich ziehen würden, interessieren im Berliner Senat offenbar weniger.
Ein passendes Gesetz
Wie Report Mainz am 20. März berichtet hat, wurde das umstrittene Berliner Sparkassengesetz übrigens von der Kanzlei Freshfields, Brückhaus, Deringer erarbeitet – eine »der besten Adressen für milliardenschwere Wirtschaftsdeals«, die »mit dem Bundesverband deutscher Banken und vielen Großbanken über Berateraufträge eng verbunden« ist. Nun ist es nichts Außergewöhnliches, daß sich die Legislative bei Gesetzesvorhaben juristische Expertisen einholt. Daß Lobbykanzleien jedoch den Auftrag bekommen, Gesetze von Anfang an mitzuschreiben, ist ein relativ neues Phänomen. Im Fall des Sparkassengesetzes übernahmen Anwälte von Freshfields auch die Aufgabe, den Berliner Abgeordneten in Anhörungen das Gesetz zu erklären.
Im Übertölpeln von Parlamentariern, Senatoren und Ministern hat die Kanzlei schon einige Erfahrung. So beriet die Kanzlei das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen bei der Einführung der LKW-Maut. Als das Verkehrsministerium nicht in der Lage wa r, den von Freshfields verfaßten 17 000-Seiten-Vertrag selbst zu interpretieren, erhielt die Kanzlei einen weiteren Beratervertrag, damit Modalitäten und Höhe der Schadensersatzforderung ermittelt werden konnten. Auch bei der jüngsten Privatisierung des Dresdner Wohnungsbestandes hatte Freshfields die Finger im Spiel: Sie hat die Stadt Dresden beim Verkauf der städtischen Anteile an der WOBA Dresden GmbH beraten. Käufer war der US-Finanzinvestor Fortress, der die Anteile der Stadt für rund 1,75 Milliarden Euro übernahm; der Deal zählte zu den größten Immobilienverkäufen von Kommunen in Deutschland. Das Interessante daran: Noch im Dezember 2005 beriet Freshfields die Gegenseite, d. h. den Finanzinvestor Fortress, beim Kauf von Wohnungen der Dresdner Bank – Wohnungen, die mit der WOBA in eine gemeinsame Holding gesteckt werden sollen, die spätestens Anfang nächsten Jahres an die Börse gebracht werden soll.
Laut Eigendarstellung verfügt die Kanzlei Freshfields Bruckh aus Deringer »über die wohl umfassendste Erfahrung in Public Private Partnership-Projekten sowohl in Deutschland als auch international. Die Sozietät hat sich in diesem Bereich einen einmaligen Erfahrungshintergrund geschaffen, der eine Reihe von Pilotprojekten mit Modellcharakter einschließt.« Zu diesen Projekten mit Modellcharakter dürfte die angestrebte Privatisierung der Berliner Sparkasse ebenso zählen wie die Privatisierung von Krankenhäusern in Hessen und Hamburg, die Privatisierung von Wasserunternehmen, Stadtwerken und Flughäfen ebenso wie die Teilprivatisierung von Landesbanken. Auch international hat sich Freshfields mit umstrittenen Privatisierungen bzw. Public-Private-Partnerships (PPP) einen Namen gemacht. In Großbritannien war die Kanzlei beispielsweise an der Überführung einiger Londoner U-Bahnlinien in ein PPP-Projekt beteiligt und begleitete zahlreiche Schulprojekte sowie sämtliche PPP-Gefängnisprojekte.
Die angestrebte Privatisierung der Berline r Sparkasse folgt in ihren Grundzügen einem Modell, das schon bei der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe erprobt wurde. In beiden Fällen wurde der Berliner Senat von Frehsfields-Anwalt Benedikt Wolfers beraten. In beiden Fällen ging bzw. geht es um eine Privatisierung unter Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform – ein Modell, das sich laut Wolfers vor allem dann anbietet, wenn die öffentlich-rechtliche gegenüber der privatrechtlichen Form manifeste wirtschaftliche Vorteile bietet oder die Widerstände gegen eine vollständige Privatisierung zu groß sind.
Wie das neue Sparkassengesetz war auch die im Jahr 1999 in einem geheimen Vertrag von der damaligen Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) mit den Konzernen RWE und Veolia (ehemals Vivendi) geregelte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) juristisch und politisch höchst umstritten. Um eine Privatisierung bei Wahrung der öffentlich-rechtlichen Rechtsform zu ermöglichen, wurde damals eine Holding geschaffen, die nach dem Vorbild der Berliner Bankgesellschaft AG sowohl eine Anstalt des öffentlichen Rechts (die Berliner Wasserbetriebe BWB) als auch diverse privatwirtschaftliche Beteiligungen und Tochtergesellschaften unter ihrem Dach vereinte. Und wie schon bei der Bankgesellschaft Berlin hat dieses Holding-Modell den Vorteil, daß es eine massive Subventionierung der privatwirtschaftlichen Unternehmen durch die Anstalt öffentlichen Rechts ermöglicht. Lieferten die Berliner Wasserbetriebe vor der Teilprivatisierung noch Gewinne an den Berliner Haushalt ab, so gehen diese Erlöse nun in erster Linie an die privaten Gesellschafter.
Umstrittenster Punkt des Vertrages ist, daß den privaten Erwerbern eine jährliche Rendite von sieben bis acht Prozent auf das »betriebsnotwendige Kapital« zugesichert wurde – über eine Laufzeit von 28 Jahren. Zwar wurde dieser Teil des Vertrags durch einen Beschluß des Verfassungsgerichts vom 21. Oktober 1999 für nichtig erklärt, trotz dieses Urteils bestand der SPD-PDS-Senat jedoch darauf, den privaten Wasserkonzernen die vereinbarte Zusatzrendite zuzuschanzen. Denn als hätten die Beteiligten geahnt, daß das Teilprivatisierungsgesetz von 1999 juristisch unhaltbar ist, wurde im Vertrag eine Klausel verankert, nach der das Land Berlin sich verpflichtet, die geringeren Gewinne oder höheren Verluste, die sich ergeben, falls das Teilprivatisierungsgesetz ganz oder teilweise für nichtig oder aufgrund einer Entscheidung eines Verfassungsgerichts mit höherrangigem Recht für unvereinbar erklärt wird (»Nichtigerklärung«), in vollem Umfang auszugleichen.
Um die unverschämte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin nun auf entsprechende Einnahmen verzichten, teils sogar draufzahlen. Gleichzeitig müssen die Berliner Haushalte tiefer in die Tasche greifen. Allein 2004 sind die Wasserpreise in Berlin um über 15 Prozent gestiegen; bis 2009 dürfte sich die Preise um etwa 30 Prozen t erhöht haben. Dabei liegt Berlin schon jetzt bei den Preisen für Wasser und Abwasser bundesweit an der Spitze.
Auch wenn die herrschenden Parteien und Medien nach wie vor ein Loblied auf die Privatisierung singen – auf Dauer läßt sich nicht verbergen, daß es sich bei der Privatisierung öffentlicher Dienste in aller Regel um Raubzüge privater Konzerne und ihrer Berater und Verbündeten handelt, die sich auf Kosten von Beschäftigten, Verbrauchern und Steuerzahlern eine goldene Nase verdienen wollen. Entsprechend nimmt der Widerstand gegen Privatisierungen zu, in manchen Fällen wird auch schon über eine Rückführung privatisierter Unternehmen in öffentliches Eigentum nachgedacht.
Alternativen zum Ausverkauf
Wie die Entwicklung in Berlin zeigt, ist dabei selbst ein Wandel vom Bock zum Gärtner nicht ausgeschlossen. So hat sich der Landesparteitag der Berliner SPD Ende letzten Jahres für die Aufhebung des Beschlusses zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe ausgesprochen und die Abgeordneten sowie die sozialdemokratischen Senatsmitglieder dazu aufgefordert »zu prüfen, unter welchen Bedingungen die Teilprivatisierung der BWB rückgängig gemacht werden kann und bis April 2006 darüber Bericht zu erstatten«. Auf den Bericht darf man gespannt sein – auch wenn kaum zu erwarten ist, daß eine Berliner SPD mit Wowereit, Sarrazin und Fugmann-Heesing in ihren Reihen einen entsprechenden Kurswechsel einleiten wird.
Was für die Berliner SPD gilt, gilt jedoch auch für die Berliner Linkspartei; schließlich trägt Senator Wolf einen Großteil der Verantwortung für die Verabschiedung des neuen Sparkassengesetzes. Klar ist, daß sich ohne massiven Druck aus der eigenen Partei, aus d er Öffentlichkeit, aus Gewerkschaften, Verbänden und sozialen Bewegungen nichts zum Guten ändern wird. Klar ist auch, daß der rot-rote Senat die Forderungen nach einem Stopp von Privatisierungen nicht gänzlich ignorieren kann, wenn er eine Schlappe bei den anstehenden Wahlen im September vermeiden will. Diese Situation gilt es zu nutzen.
Wenn die sich neu formierende Linke ihre Glaubwürdigkeit als Opposition zum Neoliberalismus nicht von vornherein aufs Spiel setzen will, muß die Linkspartei ihre bisherige Politik im Berliner Senat ändern. Im Hinblick auf die Privatisierungspolitik und den Umgang mit dem Berliner Bankenskandal sollte eine Fortsetzung der rot-roten Koalition davon abhängig gemacht werden, ob folgende Forderungen in die Tat umgesetzt werden:

  • Keine weiteren Privatisierungen öffentlichen Vermögen und kein Outsourcing öffentlicher Dienstleistungen an private Anbieter.
  • Revision des Sparkassengesetzes: Der Bestand der Berliner Sparkasse als vollrechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigenen Organen, eigenem Vermögen und eigener Bankerlaubnis muß garantiert und zugleich sicherstellt werden, daß die Gewinne der Berliner Sparkasse für gemeinnützige Zwecke verwendet werden und nicht in private Taschen zu fließen. Eine solche Gesetzesrevision würde außerdem die Frage einer möglichen Privatisierung elegant lösen, denn kein privater Investor dürfte unter solchen Konditionen noch Interesse bekunden. Zugleich könnte der Auflage der Europäischen Kommission durch Veräußerung der Sparkasse entweder an den Sparkassenverbund selbst oder an eine gemeinnützige Stiftung Rechnung getragen werden. Es gibt nämlich keine Auflage der Kommission, die das Land Berlin zur Privatisierung verpflichtet. Wie und an wen die Sparkasse veräußert wird, liegt in der Verantwortung des Berliner Senats.
  • Keine weitere Aufträge an Kanzleien wie Freshfields, die im Interesse privater Konzerne die Privatisierung öffentlicher Güter vorantreiben; Offenlegung aller Verträge, die der Senat mit Anwälten, Wirtschaftsberatern und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geschlossen hat.
  • Revision des Teilprivatisierungsgesetzes der Berliner Wasserbetriebe und in der Perspektive die Rekommunalisierung der BWB.