Was ist ACTA?

Bild: CC-by 2.5/ch
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Markus Beckedahl von der Digitalen Gesellschaft spricht auf Spiegel Online Klartext:

Acta steht für ein vollkommen irregeleitetes Verständnis von Urheberrecht, bei dem weder die Nutzer noch die Urheber im Mittelpunkt stehen, sondern die Rechteverwerter aus Hollywood, die Musikindustrie und andere übliche Verdächtige. Wer Acta will, stellt sich gegen jede Reformmöglichkeit beim Urheberrecht, das dieses dringend brauchen würde. Acta ist falsch.

Und weiter:

Nichts wird freiwillig veröffentlicht, von demokratischer Willensbildung und Entscheidungsfindung kann keine Rede sein. […] Acta ist von Grund auf undemokratisch.

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Die Krise – Kurz erklärt

Eine fast lustig anmutende Erklärung der Krise geht ungefähr so: In den USA wurden viele Kredite an arme Menschen vergeben, die sich damit ein Haus gebaut haben. Weil die armen Menschen aus verschiedensten Gründen die Zinsen nicht mehr zahlen konnten, gibt es eine weltweite Finanzkrise. Es mag ja sein, dass die geplatzten Konsumentenkredite in den USA ein großer Tropfen für das überlaufende Fass waren, aber die Frage, wie das Fass eigentlich selber funktioniert, ist damit natürlich überhaupt nicht beantwortet. Das versucht der folgende Text. Dabei wird nicht versucht, die sogenannte Subprime oder Hypothekenkrise zu erklären. Diese ist ja selber nur eine Krise an einem bestimmten Ende des Finanzsektors gewesen und erklärt auch nicht, warum deshalb so viele Finanzinstitute vor der Pleite stehen. Daher steigt dieser Text einfach in der Mitte der Krise ein und versucht von dort aus über einige Prinzipien des Finanzgewerbes aufzuklären, welche die Wucht der Krise erhellen. Mehr lesen

Die Permanenz der Eigentumsfrage

file0060.jpglautet der Titel eines präzisen kurzen Stücks, das der Kapitalistiker Georg Fülberth zu der Festschrift für Dieter Boris geschrieben hat, die unter dem Titel „Jenseits von Subcomandante Marcos und Hugo Chavez“ von Stefan Schmalz und Anne Tittor im VSA – Verlag (Hamburg) jetzt herausgegeben wurde (S.244-252).

kurz erklaert VIII: Gerechtigkeit

In der Hartz-Zeit steht Die Linke. selbstverständlich für Verteilungsgerechtigkeit auch als Grundlage von Akzeptanz, Vielfalt und Hegemonie. Hier haben sie einen starken Ruf. Dieses erste Element, so notwendig es ist und so richtig es das sozialdemokratische Anliegen aufnimmt, das von der SPD liegen gelassen worden ist, ist aber nicht ausreichend. Ein neues linkes Projekt muss den Beweis erbringen, dass es mehr ist als eine zur Partei gewordene Abwehrschlacht.

Das zweite Element ist Anerkennungsgerechtigkeit. Zum Teil handelt es sich hier um ein grün-alternatives Anliegen, das von den Grünen liegen gelassen worden ist, wenn auch nicht so vollständig wie die Verteilungsgerechtigkeit von der SPD. Anerkennungsgerechtigkeit bedeutet, die Vielzahl der Lebenslagen, Lebensmodelle und individuellen Situationen und Orientierungen als gleichberechtigte Ausdrucksformen gesellschaftlicher Normalität anzuerkennen und sie von der Unterdrückung und Ausgrenzung durch die rechtlichen, ökonomischen und Alltagspraxen der Abwertung, Diskriminierung und Ungleichheit zu befreien. Die Linke muss – allgemein formuliert – für Anerkennung als Recht auf gleiche Teilhabe an sozialer Interaktion stehen und die politische Kraft sein, die sensibel ist für jede Form von Abwertung der Menschen und dagegen Front macht.

Das dritte Element eines erweiterten und erneuerten linken Gerechtigkeits- und Gleichheitsbegriffs ist Aushandlungsgerechtigkeit. Zwischen den Individuen und sozialen Gruppen, welche die Basis eines erneuerten linken Projekts ausmachen müssen, gibt es nicht nur gleichgerichtete Interessen, sondern auch Konkurrenz – Beziehungsstrukturen, wo der eine gewinnt, was der andere verliert. Das gilt zwischen dem polnischen Wanderhandwerker in Deutschland und seinem Kollegen hiesiger Nationalität ebenso wie zwischen dem immer noch vorherrschenden Allein- oder Hauptverdiener und seiner (meist) Frau, zwischen Mehrkindfamilien und Alleinerziehenden, zwischen Flüchtlingen und von Verdrängung am Arbeitsmarkt Bedrohten, zwischen der Erhaltung eines deutschen Wohlfahrtsniveaus und den niedergehaltenen Ansprüchen des Rests der Welt. Hier gibt es oft keine glatten Lösungen, hier schafft auch »soziale Sicherung plus Beschäftigungspolitik« keine heile Welt ohne Konflikte; hier ist der Ort für lange, schwierige Aushandlungsprozesse, Übergänge und Ausgleiche, in denen die Linke eine moderierende und kreative Rolle spielen, aber keine Stellvertreterpolitik beanspruchen kann.

Hieran schließt sich das vierte notwendige Element eines erneuerten linken Gerechtigkeits- und Gleichheitsbegriffs an: Verhandlungsmacht und gesellschaftliche Verhandlungsräume, also: Selbstbestimmungsgerechtigkeit. Gerechtigkeit und Gleichheit sind nichts mehr, was der Staat, so prima er auch regiert sein möge, direkt für alle schaffen kann. Stattdessen muss er die Räume ermöglichen, in denen sie verhandelt und erstritten werden, und diejenigen solidarisch und machtpolitisch unterstützen, deren Verhandlungsmacht bislang systematisch jeweils zu gering war. Mitbestimmung, z. B., ist kein Ersatz für fehlende Vergesellschaftung; sie ist Vergesellschaftung, die ihre vollständige Einlösung findet in Strukturen der gleichberechtigten Selbstverwaltung und der Verlagerung von Entscheidungsprozessen weg von Staat und »Privatbesitzern« und hinein in die reale Gesellschaft. Damit muss eine linke Gleichheitspolitik (Engler) die Konsequenz aus der Tatsache ziehen, dass Abwertungspraktiken und -kulturen, Ungleichheit und Praxen der Ungerechtigkeit allesamt eine Beziehung und ein Gefälle der Macht oder Herrschaft konstruieren oder reproduzieren. Dies ist in aller Regel das ungenannt-verborgene einfache Geheimnis der bürgerlichen und sozialdemokratischen Rhetorik der Gerechtigkeit: sie verheimlichen und entnennen dabei die immer eingeschlossene politische Dimension von Macht und Herrschaft.

Will die Linke daher ihren Gerechtigkeitsbegriff und ihre Gerechtigkeitspolitik als ein Merkmal ihrer selbst (Trademark) schärfen, das einen bestandsfähigen, sichtbaren, klaren und daher überzeugenden Unterschied zu anderen politischen Formationen macht, dann muss sie das Kerngeschäft der Verteilungsgerechtigkeit beherrschen, die Alltagssensibilität des Kampfes gegen Abwertung reklamieren wie praktizieren und beides verbinden mit einer vitalen, offenen und risikofreudigen Machtkritik, also bereits politikmethodisch das Soziale und das Politische im machtkritischen Sinne gleichheits- und demokratiepolitisch im Sinne der Aushandlungs- und Selbstbestimmungsrechtigkeit miteinander verknüpfen. Sie muss so auch in der Substanz das Soziale als Kern der allgemeinen Würde des Menschen (Selbstbestimmung) aufgreifen.

Nach: Rainer Rilling, Christoph Spehr interner Link folgtDie Wahl 2006, die Linke und der jähe Bedarf an Gespenstern… in: Standpunkte 6/2005
sowie
diess., interner Link folgtGuten Morgen, Gespenst! Annäherungen an das jähe Erscheinen eines Parteiprojekts, in: Standpunkte 8/2005

pdf-Version dieses Textes:

kurz erklaert VII: Daseinsvorsorge

1. Zum Begriff „Daseinsvorsorge“

Der Begriff Daseinsvorsorge weckt verschiedene Assoziationen: „Sorge“ und „Vorsorge“ für das „Dasein“ der Menschen stehen für eine Haltung eines Gemeinwesens, das sich um Arme, Benachteiligte und Behinderte kümmert. Verbunden wird damit Solidarität und Sozialstaat. In einer staatskritischen Perspektive wird Daseinsvorsorge mit Sozialpaternalismus gleichgesetzt. Karl Jaspers sprach 1931 von der „Daseinsfürsorge“ und Ernst Forsthoff prägte den Begriff „Daseinsvorsorge“ 1938 in seiner Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“. Historisch geht es um Formen staatlich organisierter Umverteilung: vom liberal – autoritären „Ordnungsstaat“ über die verschiedenen Varianten des „Leistungsstaats“ (faschistischer, liberaler und staatsozialistischer Sozialstaat) zum neoliberalen „Gewährleistungsstaat“, der in seiner radikalen Schrumpfvariante nur noch für den rechtlichen Rahmen und die Legitimation einer ansonsten privatkapitalistisch erbrachten Leistung zuständig ist.

2. Beschreibung der Ausgangssituation

Der Begriff „Daseinsvorsorge“ wird benutzt um bestimmte traditionellerweise durch den Staat erbrachte Leistungen zu charakterisieren und zu begründen. Diese Leistungen sind aus politökonomischer Perspektive die „allgemeinen Produktionsbedingungen“ des Kapitals und haben den Zweck, die Reproduktion des Gesamtkapitals zu sichern. Der bürgerliche Staat hat sie historisch dann bereit gestellt, wenn ein privates, einzelnes Kapital alleine dazu entweder nicht das nötige Vorschusskapital gehabt hatte oder wenn keine ausreichende Rendite erwartet werden konnte. Ihre konkrete Ausgestaltung ist aber immer auch zugleich das Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.

Aus Sicht von spezifischen Interessens- oder Funktionsträgern der bürgerlichen Gesellschaft geht es bei der Daseinsvorsorge um „eine Leistung, deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“ (BverfGE 66, 248 (258) am Beispiel der Energieversorgung). Diese Zielsetzung verbindet das Sozialstaatsprinzip des Art.20 Abs.1 GG und die Menschenwürde des Art.1 Abs.1 des GG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art.3 GG, ohne dass allerdings hieraus ein unmittelbar einklagbares subjektives Recht auf die Gewährleistung bzw. Inanspruchnahme einer solchen Leistung entspränge.

Weder ist Daseinsvorsorge ein streng juristisch, einklagbares Recht, noch sind die damit verbundenen Kriterien dessen, was Menschenwürde und Sozialstaat ausmacht, fest und ein für alle mal bestimmbar. Massnahmen der Daseinsvorsorge sind vielmehr darauf gerichtet, entsprechend einem gegebenen Kräfteverhältnis und eines bestimmten gesellschaftlich mehrheitsfähigen Wertekonsens jene Leistungen für alle Einwohnerinnen und Einwohner zu erstellen, die für die Erhaltung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und für die Reproduktion eines je historisch verschiedenen Typs von Arbeitskraft notwendig sind.

Veränderungen in der Daseinsvorsorge bedeuten daher immer Veränderung von Machtverhältnissen oder vollziehen die Veränderung von Machtverhältnissen nach. Was zu den Leistungen der Daseinsvorsorge zählt und wer diese Leistungen in Anspruch nehmen kann, ist sowohl das Ergebnis gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen als auch des bestehenden Wertekanons. Daseinsvorsorge hat also immer ein historisches Moment und wird immer durch ein gegebenes Kräfteverhältnis bestimmt. Der Begriff der Daseinsvorsorge hat somit immer einen politischen Inhalt, er ist nie wertfrei. Mit der Bestimmung dessen, was öffentliche Daseinsvorsorge aus der jeweiligen Sicht sein soll, werden immer bestimmte soziale Interessen in der Gesellschaft begünstigt, bestehende gemeinsame Interessen verschiedener sozialer Gruppen ggf. gestärkt, die Spielräume bestimmter sozialer Gruppen erweitert bzw. eingeengt.

3. Eigenen Anspruch formulieren

Da „Daseinsvorsorge“ kein eindeutig und allgemeingültig zu bestimmender Begriff ist, sondern Resultat historisch wandelbarer gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse, sollte man sich bewußt darauf festlegen, woraus Daseinsvorsorge besteht und wie sie beschaffen sein soll, statt vermeintlich objektive Definitionen zu suchen. Zunächst muss man sich aber darauf verständigen, ob man an diesem Begriff überhaupt festhalten will. Zum einen legt er mit der paternalistischen Konnotation eine staatliche Zuständigkeit für die Bereitstellung nahe, wo noch gar nicht ausgemacht ist, ob dies die geeignetste Form ist und nicht private bzw. zivilgesellschaftliche (z.B. genossenschaftliche, selbstorganisierte) Formen vorzuziehen wären. Zum anderen erfasst er bestimmte Anforderungen nicht. Der Begriff „öffentliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ ist wenn auch etwas umständlich, so doch sprachpolitisch geeigneter, da er andere Akzente setzt (und schließt damit auch an den Sprachgebrauch an, der sich in anderen europäischen Ländern entwickelt hat, wie „General Interest Services“, „universal service“, „public service“, „Service public“, „Service d`intérêt général“, Servicizop pubblico“, „Servicios de interes general“).

Zu „Öffentlich und allgemein“:

∑ „Öffentliche Dienstleistung“ beschreibt den Charakter des Zugangs, also ein Gut, dass allen offen steht, ist somit öffentlich. Von „allgemeinem Interesse“ meint, dass es im allgemeinen Interesse liegt, dass ein Gut als öffentliche Dienstleistung zur Verfügung gestellt wird
∑ Letzteres verweist darauf, dass über die Art und Weise der Bereitstellung Aushandlungen stattfinden sollen. Diese sollten immer stattfinden im Interessenviereck von (1) Allgemeinheit, (2) Nutzer/innen einer Leistung, (3) der diese erbringenden Arbeitnehmer/innen und der (4) Entscheidungskörperschaft (Bevölkerung, Parlament)
∑ Für die Aushandlung gibt es einen öffentlichen Raum bzw. wird dieser geschaffen. Hier können diese Interessen artikuliert, Interessenskonflikte problematisiert und konsensuale Lösungen gefunden werden. Dadurch soll eine andere (demokratische und öffentliche) Art des Austragens von Interessenkonflikten ermöglicht werden, als es mit einer privaten Leistungserbringung möglich ist

Bevor darüber diskutiert werden kann, ob eine Leistung von allgemeinem Interesse von einem privaten oder einem staatlichen Akteur zur Verfügung gestellt werden soll, müssen diese an drei grundsätzlichen Anforderungen gemessen werden:

∑ der menschenrechtliche Grundqualität nach betreffen sie grundlegende Leistungen und Dienste, „deren der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf.“

∑ sozial müssen sie so ausgestaltet sein, dass sie dazu beitragen, die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben zu befördern („Empowerment“); sie zielen daher auf Einschluss statt Ausschluss und sollen deshalb diskriminierungsfreien Zugang ermöglichen; es geht hier um kontinuierliche Versorgungssicherheit durch flächendeckende räumliche und soziale Erreichbarkeit von Leistungen bei hoher Servicequalität zu erschwinglichen Preisen und gleichmäßigen qualitativen Bedingungen (Abbau regionaler Ungleichgewichte mit dem Ziel, eine Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse zu erreichen – Gleichheitsprinzip), unabhängig von der Rentabilität des Versorgungsunternehmens („keine vordringliche Absicht der Gewinnerzielung“); eine besondere Rolle spielt die sozial und ökologisch verantwortungsvolle Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen, die Sicherung zukunftsbeständiger Entwicklung und eines hohen Niveaus bei Umwelt- und Verbraucherschutz

∑ die unmittelbare Zufriedenstellung durch die Inanspruchnahme von Gütern und Dienstleistungen ist nicht der alleinige Beurteilungsmaßstab für diese Leistungen, denn ihre Nutzer/innen sind nicht nur KonsumentInnen, sondern zugleich Mitglieder eines politischen Gemeinwesens; es geht also auch um demokratische Mitwirkung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Nutzerinnen und Nutzer der öffentlichen Dienstleistungen bei deren Gestaltung und Ergebnisbewertung (Qualitätskontrolle) sowie um Transparenz und Kontrolle bei den technischen und finanziellen Ergebnissen; vollständige Transparenz der Entgelte und Vertragsbedingungen; Kontrollmechanismen für die kommunalen Vertretungen; Schaffung von unabhängigen Regulierungsinstanzen sowie von Rechtsmitteln und Streitschlichtungsmechanismen.

Was heißt Zugang?

Im Kriterium des universellen, gleichen Zugangs für alle drückt sich die Allgemeinwohlbindung einer Leistung oder eines Dienstes aus. Gegenüber dem neoliberalen Zeitgeist heißt das für uns auch, dass es einen freien, für die NutzerInnen oder bestimmte Gruppen von NutzerInnen kostenlosen Zugang zu bestimmten öffentlichen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse geben sollte. Soweit öffentliche Dienstleistungen gegen Entgelt angeboten werden, muss sich deren Höhe sowohl an ökonomischen wie auch an sozialen Maßstäben messen, die ihrerseits politisch ausgehandelt werden.

Der Kreis der hier betrachteten Leistungen hängt immer von den Möglichkeiten der Umverteilung, also vom Umfang der Steuereinnahmen bzw. anderer Einnahmen des Staates, ab; insofern können diese Dienstleistungen nicht unabhängig von der generellen ökonomischen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft und den politisch bestimmten Umverteilungsspielräumen gestaltet werden. Der Kampf um den Zugang zu Gütern sollte daher immer einhergehen mit dem Kampf um eine Erweiterung des Haushaltsbudgets. Die Herausforderung besteht darin, in einer demokratischen Debatte Prioritäten zu setzen. Man braucht eine gesellschaftliche Debatte über politische Zielstellungen, bestimmte öffentliche Dienstleistungen im allgemeinen Interesse für alle frei (d.h. kostenfrei) zugänglich zu machen. Der Wert von Gütern muss (auch) politisch kommuniziert werden.

4. Fazit

Für die Linkspartei ist der Begriff „öffentliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse“ verbunden mit zwei spezifischen Unterscheidungsmerkmalen:
∑ einem konsequenten Demokratieansatz und Emanzipation – weg von der Gewährleistung („Fürsorge“) hin zu Ansprüchen und Rechten.
∑ einer sozialen Dimension (soziale Gerechtigkeit, Solidarität). Die Frage, ob eine Leistung über den Markt und wirtschaftlich erbracht wird, ist keineswegs der entscheidende Maßstab.
Ausgehend von den hier entwickelten eigenen Ansprüchen an die Gestaltung öffentlicher Daseinsvorsorge bzw. öffentlicher Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ergeben sich entsprechende Anforderungen
– an die Unternehmen, die diese Leistungen erbringen,
– an den öffentlichen Dienst als einen anderen möglichen Erbringer der Leistungen
– an die Gestaltung der Beziehungen (ggf. Vertragsbeziehungen) zwischen öffentlicher Hand und den Leistungserbringern.
Bei der Entwicklung von Positionen zum öffentlichen Eigentum bildet das jeweilige Konzept öffentlicher Dienstleistungen von allgemeinem Interesse eine der Grundlagen.

(P. Brangsch, S. Nuss, R. Rilling – 30.04.2007)

pdf-Version dieser Begriffklärung:

kurz erklaert VI: Was sind eigentlich oeffentliche Gueter?

Öffentliche Güter sind Güter, Dienstleistungen und Zustände, für deren Herstellung, Verteilung und Sicherung die Gesellschaft verantwortlich ist. Der Zugang zu öffentlichen Gütern soll grundsätzlich allen Mitgliedern einer Gesellschaft, unabhängig von ihrem Einkommen, offen stehen.
Zu den öffentlichen Gütern können Güter des materiellen Grundbedarfs wie Energie und Wasser sowie soziale, kulturelle und Bildungsdienste gehören – aber auch persönliche Sicherheit, Frieden, saubere Umwelt, Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Was ein öffentliches Gut ist, wird nicht durch stoffliche Eigenschaften, sondern durch politische Entscheidungen bestimmt, denen gesellschaftliche Wertungen, Interessen und Kräfteverhältnisse zugrunde liegen. Im Umfang, der Qualität und der Differenzierung der öffentlichen Güter und in der Bereitschaft, diese aus den öffentlichen Haushalten zu finanzieren, kommt das herrschende Selbstverständnis einer Gesellschaft und der Grad der innergesellschaftlichen Solidarität als Gegenpol zur einzelwirtschaftlichen Konkurrenz zum Ausdruck.
Die „Öffentlichkeit“ der öffentlichen Güter erfordert es, dass der politische Prozess, in dem über sie entschieden wird, transparent und demokratisch verläuft.
Die jüngste weltweite Privatisierungs- und Liberalisierungswelle hat die öffentlichen Güter unter starken Druck gesetzt. Dies wurde zum einen durch bürokratische Strukturen und Ineffizienz bei ihrer traditionellen Bereitstellung durch staatliche Apparate und zum anderen durch das Austrocknen der öffentlichen Haushalte gefördert.
Öffentliche Unternehmen sind mittlerweile vielfach durch private Bereitstellung unter öffentlicher Aufsicht ersetzt worden. Die Regulierung privat erbrachter öffentlicher Dienstleistungen ist jedoch schwierig, kostspielig und vielfach ineffizient.
Öffentliche Güter sind im Rahmen von Nationalstaaten entwickelt worden und bilden in deren Rahmen die Grundlage des sozialen Zusammenhalts und ein wichtiges Gegengewicht zur Marktkonkurrenz.
Die neoliberale Globalisierung hat zu scharfen internationalen Polarisierungen, Konflikten und Gefährdungen großer Teile der Menschheit geführt. In der Kritik hieran und in den gesellschaftlichen Gegenbewegungen hierzu ist der Begriff der globalen öffentlichen Güter entstanden.
Aus der taz vom 19.7.2004, S. 9, Autor: JÖRG HUFFSCHMID
Das Lexikon entsteht in Kooperation mit dem wissenschaftlichen Beirat von Attac und erscheint jeden Montag.

kurz erklaert V: Secondary Picketing

picketing

  • einpfählend
  • Absperrung durch Streikposten
  • Aufstellung von Streikposten

secondary picketing

  • Streikposten bei nichtbetroffenen Firmen

Der gegenwärtige Streik von Mitarbeitern der Flughafen-Catering-Firma Gate Gourmet zeigt, wie verschiedene Einzelkapitalisten – LTU (Reiseunternehmer), Flughafengesellschaft, Gate Gourmet, Zeitarbeitsfirmen, Private Sicherheitsfirmen – zusammenarbeiten und zusammenhalten, um den Widerstand von Beschäftigten zu brechen (im konkreten Fall geht es in erster Linie um eine 10%ige Lohnsenkung).

Derartigen Allianzen im Unternehmerlager läßt sich durch mobile und flexible Streikformen begegnen, wie sie in englischsprachigen Ländern als secondary picketing diskutiert und praktiziert werden: Wenn einzelne kleine Belegschaften nicht genügend Druck machen können, dann bilden ArbeiterInnen von außen effektive Streikposten, um die betroffene Verwertungskette an ihrem schwächsten Punkt zu treffen und damit größtmöglichen Druck zu machen.

Die Flughafen-Blockade am 14.1. war ein solcher Versuch des secondary picketing.

kurz erklaert IV: Privatisierung

……im Wörterbuch der Sozialpolitik, geschrieben von Alessandro Pelizzari (Attac Schweiz): Unter Privatisierung im engeren Sinne wird die Verlagerung von bestimmten bisher staatlichen Aktivitäten in den privaten Sektor der Volkswirtschaft verstanden, um die Allokation der Ressourcen durch den (als effizienter eingestuften) Markt erfolgen zu lassen. Im weiteren Sinne bedeutet Privatisierung die gesellschaftliche Tendenz der „Vermarktwirtschaftlichung“ sämtlicher Produktionsbedingungen des Akkumulationsprozesses: der allgemeinen (staatliche Infrastruktur, öffentliche Dienstleistungen), der persönlichen (soziale Reproduktion) und der externen (natürliche Umwelt). Diese Bedingungen werden sukzessive den Verwertungsinteressen des privaten Kapitals unterworfen.
Der engere Begriff der Privatisierung kann in drei Varianten unterteilt werden (vgl. Zeuner 1999):
– Als Staatskapitalprivatisierung (auch: materielle Privatisierung) wird die Veräußerung von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen (beispielsweise staatliche Automobilindustrie, Banken, Stahlwerke usw.) bezeichnet, die sich in Staatsbesitz befinden. Die öffentliche Hand zieht sich vollständig aus der Leistungserbringung zurück und überträgt die Aufgabe auf den privaten Bereich.
– Mit Aufgabenprivatisierung (auch: Liberalisierung) sind Reformen im Bereich der Infrastruktur gemeint. Vormals öffentliche Aufgaben in Monopolbereichen (z.B. Post, Telekommunikation, Bahn, Wasserwirtschaft) werden nun von profitwirtschaftlichen Trägern übernommen und in Konkurrenz zur öffentlichen Hand angeboten.
– Die Organisationsprivatisierung bezeichnet schließlich Ökonomisierungsstrategien, welche die öffentlichen Dienste im engeren Sinn sowie die klassischen „hoheitlichen“ Kernbereiche staatlicher Tätigkeit betreffen. Betriebswirtschaftliche Normen und privatwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse werden eingeführt, ohne dass sich an den Eigentumsverhältnissen etwas ändert.
In der wissenschaftlichen Literatur findet sich eine Vielzahl oft kontroverser Argumente für die Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Im politischen Diskurs bilden vor dem Hintergrund der Finanznot der öffentlichen Kassen fiskalische Überlegungen das zentrale Element. Einig sind sich hingegen die Experten, dass sich durch Privatisierungen der Charakter der Aufgabenerfüllung erheblich verändert. Tatsächlich sind die Betriebe nunmehr rechtlich dazu verpflichtet, in Konkurrenz zu neuen Anbietern den Profit zu mehren, also Preise anzuheben, unrentable Angebote, die sozial aber erwünscht sein können, zu streichen, dem Unternehmen Konkurrenznachteile, die durch Einhaltung gemeinwohlorientierter Vorgaben entstehen könnten, zu ersparen usw. Dies führt im Extremfall zur gänzlichen Abschaffung von Dienstleistungen, die bei Bedarf nur noch durch das Angebot des Marktes erfüllt werden.
Dass durch Privatisierungen ganze Bevölkerungsteile, die über wenig Kaufkraft verfügen, von grundlegenden Bedürfnissen ausgeschlossen werden, ist nur eine Seite der Privatisierungspolitik. Die andere ist, dass durch die Auslagerung von Staatsaufgaben ein neues Staatsmodell entsteht, welches grundsätzlich auf der Wegnahme öffentlicher und parlamentarischer Kontrolle beruht. In der Tat gehört zu den auffälligsten Zügen der jetzigen Entwicklungen die enorme Konzentration von Macht und Ressourcen in den Händen transnationaler Unternehmen. Einige besonders expansive Konzerne haben sich gar darauf spezialisiert, ihr Wachstum auf die Übernahme öffentlicher Dienste zu gründen.
http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=477

kurz erklaert III: Oeffentliche Gueter

Öffentliche Güter sind Güter, die nicht als Ware auf dem Markt verkauft werden und die allgemein benutzt werden können.
Jens Martens & Roland Hain, Globale öffentliche Güter. Zukunftskonzept für die internationale Zusammenarbeit? [pdf], bieten eine weitergehende Einführung in die Geschichte des Konzepts und seine Bedeutung, bemühen sich Stärken und Grenzen zu benennen. Sie betonen den politischen Charakter des Begriffs: was als „öffentliches Gut“ definiert wird, ist von jeher eine politische Entscheidung.
Mehr dazu auf einer ppg-Themenseite zu „Öffentlichen Gütern“.

kurz erklaert II: Formelle und echte Privatisierung

Auch Wikipedia bietet eine Begriffserklärung zu Privatisierung und unterscheidet zwischen formeller und echter Privatisierung. Ersteres ist die bloße Umwandlung einer öffentlichen Einrichtung (Regiebetrieb, Eigenbetrieb etc.) in ein Unternehmen mit privater Rechtsform (Beispiel: Deutsche Bundesbahn -> Deutsche Bahn AG). Sofern das Unternehmen danach weiterhin von der öffentliche Hand beherrscht wird, bezeichnet man diese Form als formelle Privatisierung. Letzteres ist der Verkauf von Anteilen der Öffentlichen Hand an einem privatrechtlichen Unternehmen („echte Privatisierung“), meist über die Börse (Beispiel: Der Freistaat Bayern verkauft seine Anteile an der VIAG). Dann gibt es noch die Übertragung von Aufgaben, die bisher von staatlichen Einrichtungen erfüllt wurden, auf private Unternehmen (Beispiel: Bau und Betrieb einer Autobahn). Mehr siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Privatisierung