arbeiten auf dem meer

Fischer in Sarande, Albanien, April 2015
Fischer in Sarande, Albanien, April 2015

Es gibt verschiedene Berufe und Tätigkeiten, die auf dem Meer verübt werden können: Fischer_in, Tiefseetaucher*in, Kapitän auf Frachtseeschiffen, Muschelzüchter_in, Forscher*in, Matrose, Beschäftigter der Seenotretung. Um letztere geht es in diesem Beitrag: Die Arbeitsbedingungen derjenigen, die Menschen aus Seenot retten.

Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) wird 150 Jahre alt und in der aktuellen ver.di publik vorgestellt:

Seit 1865 finanziert sich die DGzRS ausschließlich über Spenden, heute betreibt sie mit rund 180 fest angestellten Seenotrettern 20 Seenotrettungskreuzer. […]

Es werden die verantwortungsvollen Aufgaben beschrieben, die Zusammenarbeit an Bord, das Schichtsystem, die guten und die schlechten Seiten. Und eine Stellungnahme, die deutlich macht, dass die DGzRS ihren Wirkungs- und Verantwortungsgrad nicht nur auf den deutschen Seeraum beschränkt sieht.

In einer aktuellen Stellungnahme bedauert die DGzRS die Einstellung des Projekts „Mare Nostrum„und plädiert dringend für eine umgehende Wiederaufnahme dieses oder eines vergleichbaren Projekts zur Rettung der Flüchtlinge im Mittelmeer.

„Mare Nostrum“, ein Hilfsprgramm, wurde 2013 eingestellt und die Verantwortung der Rettung von Menschen in Seenot unter anderem wieder den Seeleuten von den im Mittelmeer fahrenden Handelsschiffen übertragen. Auch Fischer helfen, mit der Konsequenz, vor Gericht zu stehen und die Lizenz zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes – fischen – entzogen zu bekommen.

Seine Lizenz zum Fischen hat die tunesische Regierung nicht erneuert, seit Zenzeri und seinen Männern im sizilianischen Agrigent der Prozess gemacht wird. Begünstigung illegaler Einreise wird den sieben Fischern vorgeworfen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und ein Kriegsschiff. Die Staatsanwaltschaft hat je dreieinhalb Jahre Haft und 440.000 Euro Geldstrafe gefordert. Zenzeris 11.0000 Euro teures Boot und den Kahn des zweiten Kapitäns haben die italienischen Behörden einbehalten. Der Hintergrund für die Anklage: Zenzeri hat im August 2007 vierundvierzig Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet. […] Der Fischereibeauftragte von Teboulba vermutet, die Italiener prozessierten, um die afrikanischen Fischer von ihren Küsten fernzuhalten. Zwölf Seemeilen hinter der italienischen Küste beginnt internationales Gewässer. Jeder Fischer mit Lizenz dürfe dort seine Netze auswerfen, das stinke den Italienern. Auch Zenzeri glaubt, die Italiener hätten Angst, die Tunesier könnten ihnen die Sardinen wegfischen. »Aber es geht auch um Menschen.« Um die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge, die clandestini (»Illegale«) genannt werden, weil sie nicht die ökonomischen Voraussetzungen erfüllen, um ein Schengen-Visum zu erhalten, und die deshalb den Tod riskieren, um ihre Heimat zu verlassen.

(Die Menschenfänger, zeit.de)

Es geht nicht um die Rettung von Menschen, es geht um ökonomisch-nationale Interessen zur Durchsetzung des eigenen Wohlstandes. Sei es in der Abschottung Europas vor Menschen, die durch den Reichtum des globalen Nordens aus dem globalen Süden migrieren, um irgendwie ein Leben zu machen. Sei es in der Kriminalisierung von Seeleuten, die die Verantwortung ihres Berufes ernst nehmen und vor allem menschlich geblieben sind.

Alle Seeleute auf allen Meeren stehen in der Verantwortung, in Seenot geratenen Menschen zu helfen. Tun sie es nicht, drohen ihnen möglicherweise strafrechtliche Folgen. Im Normalfall ist es kein Problem für große Handelsschiffe, Schiffbrüchige aufzunehmen. Auch wenn die Crew eines solchen Schiffes oft aus nicht mehr als 10 bis 20 Männern besteht, so haben die Schiffe doch die Tragfähigkeit, im Notfall auch 500 Schiffbrüchige aufzunehmen. Was im Normalfall aber nur selten vorkommt. Allein auf dem Mittelmeer ist das anders. Dort herrscht seit Jahren der Ausnahmezustand: Nahezu täglich geraten überladene Fischkutter und Schlauchboote mit Flüchtlingen in Seenot. Tausende jährlich ertrinken. Das Mittelmeer – es ist ein Massengrab. […] Für die Reedereien, aber auch für die Beschäftigten auf See ist das ein riesiges Problem, mit dem sie sich allein gelassen fühlen. Erstere fahren Verluste im sechsstelligen Bereich ein, weil ihre Schiffe wegen der aufgenommenen Flüchtlinge in Häfen festgehalten und die Ladungen nicht termingerecht gelöscht werden. Die Seeleute hingegen riskieren oft ihr eigenes Leben, um andere Leben zu retten. Doch dafür sind sie nicht wirklich ausgebildet. Viele sind traumatisiert, weil vor ihren Augen trotz Hilfe in letzter Sekunde Menschen ertrinken oder an Bord vor Erschöpfung sterben. Sie wollen nicht mehr auf dem Mittelmeer eingesetzt werden, manche quittieren ihren Dienst ganz. (ver.di publik)

Ein Zusammenschluss von 80 Prozent der Unternehmen der globalen Schifffahrtsindustrie und der Mehrheit der Seeleute (Europäische und Internationale Transportarbeiterförderation (ETF und ITF) im Verbund mit der Vereinigung der Europäischen Reedereien (ECSA) und der Internationalen Schifffahrtsgesellschaft (ICS)) hat am 31.März 2015 einen Brief verfasst, indem zu lesen ist, dass die Situation im Mittelmeer außer Kontrolle gerät, es um Leben und Tod der Flüchtlinge geht und die Europäische Union Verantwortung übernehmen muss. Diese Verantwortungsübernahme sieht in der Realität eine Aufrüstung von Militär, Polizei und Frontex vor und stellt Überlegungen an, wie rechtlich abgesichert Boote durch Militäreinsätze zerstört werden können. Ökonomisch gesehen lässt sich eben mehr Geld machen mit der Entwicklung, der Produktion und dem Einsatz neuester Kriegstechnik, statt mit der Versorgung von Menschen.

Das verdirbt nicht nur jeden sauer verdienten Mittelmeerurlaub, sondern auch noch den Fischgenuss zu Hause.

One Response to “arbeiten auf dem meer”

  1. franziska frielinghaus,

    Es geht nicht nur um den Ausbau des Militäraparates, sondern es
    ist ein Krieg gegen die Migrant*innen.

    WOZ: Nr. 21/2015 vom 21.05.2015
    „Kriegserklärung gegen Flüchtlinge

    […] Der Militäreinsatz bedeutet eine massive Eskalation der europäischen Flüchtlingspolitik: Zwar werden im Grenzschutz schon lange zivile und militärische Mittel vermischt. So besteht eine der Hauptaufgaben der Grenzschutzagentur Frontex darin, mit Rüstungsfirmen immer ausgefeiltere Technologien zur Grenzkontrolle zu entwickeln. Doch dass auf europäischer Ebene der Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer mit einer militärischen Kommandostruktur begegnet wird, ist eine neue Dimension. Oder – deutlich gesagt – eine Kriegserklärung, weshalb die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini vor dem Uno-Sicherheitsrat um Unterstützung und damit um die völkerrechtliche Legitimation geworben hat. Für die Zerstörung von Schiffen sowohl auf hoher See wie in Libyen bräuchte sie ein entsprechendes Mandat.

    Wohl betonen die PolitikerInnen, die Militäroperation richte sich nur gegen Schlepper und nicht gegen Flüchtlinge. Doch wer die Migration nach Europa illegalisiert und anschliessend die NutzniesserInnen des so entstandenen Schwarzmarkts bekämpft, bewirkt bloss eines: Der Weg nach Europa für die Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg in Syrien oder der Militärdiktatur in Eritrea wird noch gefährlicher. Der Krieg gegen die Schlepper trifft am Schluss die Flüchtlinge. […]“

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