Eine Fanfare: der nächste Ausverkauf.

Kühn voran„Der 9 Billionen Dollar Ausverkauf“ knallt es von der roten Titelseite des „Economist“ vom 11. Januar 2014. Das weltweit einflußreiche Leitorgan des marktradikalen Neoliberalismus  hält die Zeit für gekommen, wieder an eine große Erfolgsgeschichte anzuknüpfen: die Privatisierung. Nicht um die Gewerkschaften zu zerschlagen (Modell Thatcher) oder die staatssozialistische Kommandowirtschaft abzuwracken, sondern historisch einmalige Staatsschulden zu verringern.

Tafelsilber gibt es noch genug.

In den OECD-Staaten sind die Staatsunternehmen zwei Billionen $ wert. Hinzu kommen Staatsbeteiligungen und die kommunalen Versorgungsunternehmen. Die „wahren Schätze“ aber sind das produzierte oder nicht-produzierte Sachvermögen – Immobilien, Straßen, Maschinerie, Infrastruktur, Software, Patente, Kulturgüter o.ä.und das Land mitsamt den darunter liegenden Rohstoffen. Nach einer neuen Schätzung des IMF von 2013 belaufe sich dieser Vermögenswert in der OECD auf rund 3/4 des des Bruttsozialprodukts, also 35 Billionen Dollar. Sicherlich gehörten hierzu auch Assets wie der Louvre, der Parthenon oder der Yellowstone Nationalpark. Die miserable Erfassung durch die staatliche Statistik (so der „Economist“) mache es schwierig, den Anteil solcher Schätze zu ermitteln. Allein die US-Bundesregierung besitze eine Million Gebäude (von denen 45 000 nach einer Erhebung von 2011 nutzlos oder kaum genutzt seien) und rund ein Fünftel des Bodens, damit auch große Reserven an Öl, Gas und anderen Rohstoffen. Bislang war die Fracking-Industrie weitgehend auf Privatland (oder privatisiertem Land) tätig, nun wächst der Druck auf öffentliches Land. Griechenland’s Staat verfüge laut Economist über mehr als 80 000 Gebäude und Ländereien, deren Wert nicht realisiert würde – obwohl es sich um keine historischen Gebäude handele. Allein in Schweden mache das marktfähige  Staatseigentum rund 100-120 Milliarden $ aus – wenn dies typisch sei, dann säßen die OECD-Staaten auf Land und Gebäuden im Werte von 9 Billionen $, das sie verkaufen könnten – fast ein Fünftel ihrer Bruttoschulden. (Economist, S. 9). In den 34 Mitgliedsstaaten der OECD operierten Ende 2012 2 111 Unternehmen im Staatseigentum oder mit einer staatlichen Mehrheitsbeteiligung mit insgesamt 5,9 Millionen Beschäftigten, deren Wert auf 2,2 Billionen geschätzt wurde – das entspricht ungefähr der Größenordnung der globalen Hedgefondsindustrie. Firmen mit staatlichen Minderheitsbeteiligungen zwischen 10 % und 50 % haben einen kombinierten Marktwert von 890 Milliarden $ und beschäftigen 2,9 Millionen Personen. Christiansen schätzt den Gesamtwert der Staatsunternehmen im OECD-Bereich unter Einbeziehung der kommunalen Ebene auf mehr als 4 Billionen $. 

„Es ist Zeit, kühner zu sein“.

Governments also need to sweat whatever remains in state hands. There is no single model for managing public assets, but any successful strategy would include setting private-sector-style nancial benchmarks, replacing cronies with experienced managers and shielding them from political interference. Not only is this good in itself, but it can also lead naturally to privatisation. (…) Thatcher and Reagan used privatisation as a tool to transform utilities, telecoms and transport. Their 21st-century successors need to do the same for buildings, land and resources. Huge value is waiting to be unlocked. (S.9).

Mit Hilfe von William L. Megginson (dem Executive Director des Privatization Barometer) und Hans Christiansen (vormals Central Banker bei der Bank for International Settlements und dann Senior Economist der Corporate Affairs Division des OECD Diectorate for Financial and Enterprise Affairs, wo er die „Arbeitsgruppe zur Privatisierung und Coporate Governance von staatlichen Unternehmen“ leitet und 2011 eine Leitstudie zu Umfang und Privatisierung von Staatsunternehmen in der OECD publizierte), vertieft der Schwerpunkt des Economist das Plädyer zum Ausverkauf dieses Staatseigentums.

Die erste neoliberal gepägte Privatisierungswelle setzte Anfang der 80er Jahre ein. Ihr Fokus lag in Europa, ihr Höhepunkt war die Ausweidung der „verrosteten Staatsunternehmen Osteuropas“ (19) nach 1991. Eine zweite Welle folgte in 2000ff., als die europäischen Konzerne in die aufstrebenden Privatisierungsmärkte des Südens investierten. In den letzten fünf Jahren jedoch verkehrte sich mit der Finanzkrise der Trend: Deprivatisierung, Staatsbeteiligung und Bailout bestimmten bis 2013 die Entwicklung. Zwischen 2007 und 2013 erwarben die Staaten mehr Kapital als sie veräußerten. 2011/2013 hat sich dieser Trend jedoch schon wieder gedreht. 2012 und 2013 gehörten zu den historischen Spitzenjahren der globalen Privatisierung (so der Privatization Report 2012 „A Surprisingly Strong Year“, Mailand August 2013). In Ländern wie England und Japan sind staatliche Großunternehmen wie die Post dabei; in England sind die Beschränkungen des Verkaufs von Staatsland und Gebäuden aufgehoben worden. In über 30 Staaten sind mittlerweile PPP’s in größerem Umfang und mit rechtlichen Absicherungen entstanden.

Wer sind die Nachfolger von Thatcher und Reagan?

fragt der Economist und fordert, öffentlichen Reichtum und staatliche Vermögen exakter zu erfassen, damit es privat neu inwertgesetzt und kapitalisiert werden kann. Gute Idee. Die Idee dahinter ist natürlich: staatliche Unternehmen der Versorgung, Infrastruktur und Commons stehen für ihn zum Ausverkauf. Solche Initiativen stehen in keiner Weise für eine Erosion neoliberaler Politik. Sie sind vielmehr ein Versuch zur deren weiteren Reaktivierung und Weiterentwicklung. Und sie machen klar, was für eine Politik des Öffentlichen und der Commons auf dem Spiel steht.

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