In Hamburgs Innenstadt werden Jugendliche wegen ihres migrantischen Aussehens intensiven polizeilichen Kontrollen unterzogen. Sie sollen aus dem öffentlichen sozialen Raum vertrieben werden. In Altona ist ihnen noch der Azra Kiosk geblieben: Sie treffen sich hier, um zu chillen, was den neu Zugezogenen im Stadtteil und der Polizei nicht gefällt. Verschärfte Kontrollen sollen erhöhte Sicherheit suggerieren. Und irgendwann ist jeder Bogen überspannt: Seit Mitte Juli organisiert sich Widerstand.
In der Jungen Welt ist zu lesen:
An jenem Abend hatten sie sich – wie immer während des Fastenmonats Ramadan – gegen halb elf nachts am Azra Kiosk getroffen, um dann im Park zum Fastenbrechen zu gehen. Plötzlich hätten ihnen zwei Dutzend Polizisten den Weg versperrt und ihre Ausweise verlangt. »Die meisten von uns waren an dem Tag schon zwei oder drei Mal kontrolliert worden«, sagt Pio. »Also haben wir gesagt: Nein, machen wir nicht, laßt uns in Ruhe!« Ein Wort gab das andere, die Polizisten kesselten sie ein und erzwangen die Personalienfeststellung – mit Pfefferspray, Handschellen und Schwitzkasten. Die Nacht endete mit 16 Festnahmen, einem Nasenbruch, einem ohnmächtigen Jugendlichen und anderthalb Dutzend Anzeigen wegen Beamtenbeleidigung, Landfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Die Linksfraktion Hamburg ging den erhöhten Polizeikontrollen im Stadtteil mittels kleiner Anfragen nach:
Altona-Altstadt ist ein Stadtteil, der in den letzten Jahrzehnten den Gang vom Arbeiterviertel zum Trendquartier vollzogen hat und auch heute noch vollzieht. Im Jahr 2013 hat die Polizei massiv ihre Präsenz im Viertel erhöht, seit dem 8. Juli gab es sogenannte „Schwerpunkteinsätze“ gegen migrantisch aussehende Jugendliche. […] Die Darstellung der Auseinandersetzungen in Altona-Altstadt am 11./12. durch Polizei lässt sich so nicht halten, insbesondere die Behauptung vermehrter Straftaten ist unhaltbar. Da die Polizei die Deutungshoheit für den Konflikt hat, wurde ihre Darstellung von den meisten Medien im Wesentlichen unhinterfragt und kritiklos übernommen. Der Schaden ist angerichtet: Ein Viertel wurde stigmatisiert, ein Konflikt ethnisiert, Jugendliche und Jungerwachsene kriminalisiert.
Eine kleine Anfrage hat ergeben, dass in den beiden Tagen vor den Auseinandersetzungen 47 Kontrollen und 17 Platzverweise vorgenommen wurden.
Racial Profiling bezeichnet spezifisches Verhalten von Staats- und Sicherheitsorganen gegenüber Menschen aufgrund zugeschriebener äußerer Merkmale. Mit anderen Worten: Racial Profiling bezeichnet die alltägliche Praxis eines institutionellen Rassismus. Menschen werden nach Augenschein einsortiert und mit Verdächtigungen und verschärften Kontrollen schikaniert. Nicht selten führt diese Einstellung zum Tod, wie beispielsweise im Fall Trayvon Martin:
Obama kritisierte zudem alltäglichen Rassismus in den USA. Noch immer seien viele Schwarze argwöhnische Blicke wegen ihrer Hautfarbe gewohnt. „Es gibt sehr wenige afroamerikanische Männer, die noch nicht die Erfahrung gemacht haben, beim Einkaufen in einem Geschäft vom Sicherheitspersonal verfolgt zu werden“, sagte der Präsident. Bevor er als Politiker bekannt wurde, sei ihm das auch passiert (zeit.de)
Die junge Welt schreibt weiter:
Racial Profiling ist in Deutschland zunehmend ein Thema. Meist ist es der Hartnäckigkeit einzelner Betroffener zu verdanken, daß rassistisch motivierte Polizeikontrollen und Übergriffe in die Medien kommen – etwa der Fall des schwarzen Architekturstudenten aus Kassel, der gegen eine Polizeikontrolle im Zug geklagt und im Oktober 2012 in zweiter Instanz Recht bekam. An den Altonaer Protesten ist bemerkenswert, daß sie kollektiv und nachbarschaftlich entstanden sind.
Es geht um nichts geringeres als um die Frage „Wem gehört die Straße und der öffentliche Raum“. Dabei geht es um den Kampf gegen den institutionellen Rassismus. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt dokumentiert Fälle, unterstützt Betroffene und ruft zur Unterstützung ihrer Arbeit auf.