Der diesjährige Yom Ha‘ Shoah, Israels nationaler Gedenktag an die Ermordung der europäischen Juden, wurde in diesem Jahr von einer gezielten Hackerattacke begleitet. Zu dem Angriff bekannte sich die Gruppe „Anonymous“, die als weltweit agierender Hacker-Zusammenhang gilt. Für den Internetangriff war der Titel „Operation Israel – Die Tore zur Hölle“ gewählt und ein Youtube-Video produziert worden, dass dazu aufrief, am Sonntag Abend um 20 Uhr, zeitgleich mit dem Beginn des Yom Ha’Shoah, Israel von der „Internetkarte zu löschen“. Am Abend zuvor begannen Cyber-Angriffe auf die Website der israelischen Polizei, zeitgleich behaupteten Hacker, sie hätten verschiedene Regierungsseiten lahmgelegt. Nach offiziellen Angaben blieb der Schaden allerdings gering, die Internetauftritte der Behörden funktionierten am Sonntag ohne sichtbare Probleme. Die Haaretz schrieb von einem Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, der bekannt gegeben hatte, dass die Website, für die er zuständig sei, für einige Minuten nicht erreichbar war, dann aber wieder reibungslos funktioniert habe. Die NYTimes berichtete, auch die Website von Yad Vashem, der nationalen Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem, sei angegriffen worden. Weiterhin habe man, so die Gruppe, die ihre Erfolge unter #OpIsrael twitterte, 19.000 Facebook-Accounts und eine kleinere Anzahl Websites gehackt.
Die Angriffe wurden als Zeichen des Protests gegen die Siedlungs- und Besatzungspolitik der israelischen Regierung sowie deren anhaltende Repression gegenüber dem Gaza-Streifen bezeichnet. Sie setzen eine Hacker-Serie fort, die im vergangenen November angesichts der „Pillar of Defense“-Offensive der israelischen Armee nach massiven Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen, ihren Höhepunkt fand. Der Krieg im Internet war damals auch auf Facebook und Twitter ausgetragen worden, wo sich Hamas und Israeli Defense Force erbitterte Propaganda- und Wortgefechte lieferten. „Das Eindringen in israelische Websites eröffnet eine neue Front für elektronischen Widerstand und Krieg gegen die israelische Besatzung“ hatte Sami Abu Zuhri, Sprecher der Hamas, Cyber-Attacken vorausgeschickt, die bereits im Januar des vergangenen Jahres stattgefunden hatten. Damals waren unter anderem die Seite der Börse in Tel Aviv und der Internetauftritt der israelischen Fluggesellschaft El Al lahmgelegt worden.
Internetauftritte von politischen Gegnern anzugreifen, ist zum festen Bestandteil des Instrumentariums von rhetorischer und symbolischer Kriegsführung geworden. Dabei wird vor allem das Ziel verfolgt, Angst zu verbreiten. Der Cyberwar, im Grunde eine Weiterführung offensichtlicher Drohgebärden und Propaganda, führt, wie in diesem Fall der Hacker-Gemeinschaft Anonymous, die Möglichkeit mit sich, neue, mitunter bizarre, politische Bündnisse zu kreieren. Wer auch immer, wenn auch nur im Internet, den Schulterschluß mit der Hamas vollzieht und für einen, wenn auch nur symbolischen, Angriff, einen Gedenktag auswählt, an dem der Ermordung der Europäischen Juden und Jüdinnen – und in diesem Jahr auch des Beginns des Aufstands im Warschauer Ghetto – gedacht wird, richtet sich damit bewusst auf einer symbolischen Ebene gegen die jüdische Gesellschaft. Statt politischen Druck auf eine Regierung auszuüben, die man zwingen will, ihre politische Repression zurückzufahren, wird Furcht geschürt und in der Propagandaschlacht ein weiteres antisemitisches Gefecht geschlagen. Welche Folgen der ideologische Krieg im Internet auf der Ebene des realen und unerbittlich geführten Krieges im Nahen Osten hat und haben kann, darüber kann die Hacker-Community mit Sicherheit keine Auskunft gegeben. Bei Gruselstücken wie dem der „Operation Israel“ hilft allerdings auch kein Cyberwar-Handbuch, wie jenes, das jüngst von der Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence (CCDCOE) der NATO veröffentlicht wurde.