Bürgermeister wollen es wissen. Eon Hanse beklagt in Schleswig-Holstein den Wettbewerb. In den Kommunen gibt es ein riesiges Interesse an kommunalen Energielösungen. Das zeigte auch die erste gemeinsam von der VKU-Landesgruppe Nord und dem Städteverband Schleswig-Holstein durchgeführte Fachtagung „Konzessionen, Netze, kommunale Betriebe – Energiepolitische Weichenstellungen in Schleswig-Holstein für das nächste Jahrzehnt“ (20. Okt., Rendsburg).
Mit rund 150 Teilnehmern habe man gerechnet, 200 hatten sich angemeldet und 250 waren gekommen, überwiegend Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte, um sich über Chancen und Risiken einer Rekommunalisierung der Energieversorgung nach Auslaufen der Konzessionsverträge, über die Gründung von eigenen Unternehmen und Energie-Kooperationen zu informieren. War vor 20 Jahren bei Auslaufen eines Konzessionsvertrags die Verlängerung mit dem alten Netzbetreiber fast die Regel – damals war es noch die heute längst in Eon Hanse aufgegangene Schleswag -, herrscht heute auch im Norden reger Wettbewerb um Konzessionen. Denn die Bürger sind spätestens seit der Finanzkrise konzernkritischer geworden und vertrauen zunehmend kleineren, örtlichen Lösungen – auch in Energiefragen, wie der Vorsitzende der VKU-Landesgruppe Nord, Kurt Kuhn, Geschäftsführer der Stadtwerke Lübeck, formulierte. Dass dies keine spezifisch schleswig- holsteinische Entwicklung sei, berichtete VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck den Teilnehmern. Ob große oder kleine Kommunen, die Tendenz sei bundesweit zu registrieren. Vorläufiger Höhepunkt der Entwicklung dürfte die Übernahme der bislang zum Eon-Konzern gehörenden Energie-Holding Thüga durch Stadtwerke sein; das gebe den Unternehmen ganz neue Möglichkeiten bei Beschaffung und Vertrieb.
Stadtwerke genießen bei den Bürgern höchstes Vertrauen, berichtete Reck in Rendsburg über die Ergebnisse der jüngsten TNS-Emnid-Umfrage (ZfK 9/09, 1 und 5). Die Menschen dächten global und wollten lokal handeln. Citizen Value statt Shareholder Value, dafür stehe die kommunale Wirtschaft. Ohne Zweifel könnten Städte mit eigenen Unternehmen einen wirksameren Beitrag zum Klimaschutz leisten, etwa durch Kraft-Wärme-Kopplung. Nachhaltigere Energiepolitik werde so möglich.
In Schleswig-Holstein laufen nach Angaben von Reck etwa 700-800 Konzessionsverträge aus. Um Handlungsoptionen zu prüfen, Chancen und Risiken abzuwägen, empfahl Reck den Kommunen, den vom VKU entwickelten Leitfaden zu nutzen. Wenn sich die Gründung eigener Unternehmen nicht rentiere, sollte man die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen ebenso überlegen wie eine Zusammenarbeit mit bestehenden Stadtwerken.
Beispielhaft berichteten darüber in Rendsburg etwa Matthias Wolfskeil, Geschäftsführer der Stadtwerke Flensburg, als potentieller Stadtwerke- Kooperationspartner; aus Sicht einer Kommune informierte Bürgermeisterin Andrea Hansen über die Stadtwerke-Gründung in Uetersen gemeinsam mit den Stadtwerken Elmshorn.
Niedersächsische Erfahrungen erläuterte den Teilnehmern Susanne Treptow, Geschäftsführerin der Stadtwerke Hameln, mit einem vehementen Plädoyer für Kommunalunternehmen. Zusammen mit Rinteln haben die Hamelner inzwischen die Stadtwerke Weserberg land gegründet und werben außerhalb ihrer Netzgebiete um Kunden und weitere Gesellschafter.
Von der Gründung eigener Stadtwerke in einer sehr kleinen Kommune berichtete in Rendsburg Bürgermeister Heiko Müller, Heiligenhafen. Man sei durchaus mit Eon nicht unzufrieden gewesen, habe aber die Konzession nach Auslaufen des Vertrags ausgeschrieben und gehe nun einen eigenen Weg. Der Stromabsatz liegt in Heiligenhafen bei rd. 23 Mio. kWh, es gibt ca. 7000 Kunden. Bürgermeister Müller legte, ebenso wie Bürgermeister Oliver Stolz aus Rellingen, den Kollegen besonders nahe, sich rechtzeitig mit Chancen und Risiken einer Netzübernahme zu beschäftigen. In Rellingen beginnt die eigene Versorgung beim Gas. Zusammen mit den Stadtwerken Elmshorn wurde, zunächst als deren Tochter, die RellingenEnergie gegründet. Aber Bürgermeister Stolz geht davon aus, dass die Kommune die Mehrheit übernehmen wird. Der Konzessionsvertrag beim Strom läuft in der Hamburger aus dem Hamburger Umland noch bis 2011. Auch hier will man das Netz übernehmen.
Um der in Schleswig-Holstein ausgeprägten Bewegung zur Rekommunalisierung die Spitzen zu nehmen, hat Eon Hanse die Gründung einer eigenständigen Netzgesellschaft angeboten – will aber dabei die Mehrheit behalten. Das Angebot entwickele so doch sehr begrenzten Charme, urteilten Kommunalvertreter.
Kommunen, die sich im vom Gesetzgeber gewünschten Wettbewerb um Netzgebiete für einen eigenen Weg entscheiden, gefährden die Versorgungssicherheit, und es werde auch noch teurer. Das behauptete auf der Rendsburger Veranstaltung in einer ab-schließenden Diskussionsrunde Klaus Lewandowski, Vorstandsmitglied der Eon Hanse AG. Ihm wurde heftig widersprochen.
Claus Möller, lange Jahre Energieminister in Schleswig-Holstein und heute u. a. Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Lübeck, räumte ein, dass er als Minister lange Zeit gedacht habe, die heute in Eon Hanse aufgegangene Schleswag könnte sich zum regionalen Stadtwerk entwickeln. Die Zeiten seien aber vorbei. Auch Eon müsse sich dem Wettbewerb um Netze stellen. Sicherlich sei die nun angebotenen Netzgesellschaften besser als frühere Lösungen, doch bleibe das Problem, dass sich Eon sehr zu einem zentral geführten Konzern hin entwickelt habe. Klimaschutz sei einfach in dezentraleren Strukturen besser zu erreichen als in zentralen. Möller warb für Kooperationslösungen mit Stadtwerken als neuen Partnern für gründungswillige Kommunen. Und natürlich brauche man auch weiter den Regionalversorger.
Zur sozialen Marktwirtschaft gehört Wettbewerb, und dem stellten sich die Stadtwerke, wenn sie sich z.B. um Konzessionen bewerben, sagte Manfred Tenfelde, Obmann der Arge Netz Schleswig-Holstein und Geschäftsführer der Stadtwerke Itzehoe. Die Itzehoer waren jüngst, zum Leidwesen von Eon Hanse, in Brunsbüttel erfolgreich. Die dort neu gegründeten Stadtwerke Brunsbüttel übernehmen von Eon die Strom- und Gasnetze im Stadtgebiet und beauftragten zum gleichen Zeitpunkt die Stadtwerke Itzehoe GmbH – zusammen mit Glückstadt gibt es die Stadtwerke Steinburg als Managementgesellschaft – mit der Betriebsführung. Man habe den Wettbewerb gewonnen, weil man die besten Preise und Konditionen geboten habe. Immer größere Netzgesellschaften brächten nicht niedrigere Kosten; an der Lage der Städte und Gemeinden ändere auch eine größere Netzgesellschaft nichts. Effizienzen ließen sich durch gute Organisation gewinnen, und das schaffe man in Itzehoe, Glückstadt und Brunsbüttel mit der Managementgesellschaft. Den wiederholten Klagen von Lewandowski, Neugründungen von Netzgesellschaften in großer Zahl gefährdeten die Versorgung, widersprachen als Praktiker Tenfelde und als Politiker Ex-Minister Möller vehement. Der Eon-Konzern verfüge in Schleswig-Holstein derzeit über einen Marktanteil von 70-80 % – da müsse er damit leben können, wenn im Wettbewerb Netzanteile verloren gingen. Die Großen seien im Übrigen auch nicht zimperlich, den Wettbewerb bei Netzen müsse es geben.
Quelle: ZfK 11/09 – Wasserwirtschaft