Wird ausschließlich das Verkehrsangebot für Fahrgäste und Bürger der jeweiligen Städte verglichen, so hat sich der öffentliche Personennahverkehr in Bochum/Gelsenkirchen in den letzten Jahren am Besten entwickelt. Vergleicht man dagegen die wirtschaftlichen Ergebnisse, dann belegt der Stuttgarter ÖPNV den ersten Platz. Sowohl beim Verkehrsangebot als auch in der wirtschaftlichen Effektivität liegt also ein System mit Direktvergabe an erster Stelle. Zwar hat auch der ÖPNV in Frankfurt/Main im Zeitverlauf zugelegt, allerdings kann er mit den Vergleichsstädten nicht mithalten, ergibt die Untersuchung der Nahverkehrsforscher Dipl. Ing. Dieter Neth von der IMCC Mössingen und Dipl. Sozialwirt Hubert Resch.
In der Untersuchung sind erstmalig die Gesamtkosten und Gesamterlöse für den ÖPNV einschließlich aller beteiligten Unternehmen sowie der für den ÖPNV zuständigen Planungs- und Verwaltungsämter erfasst worden. Die Untersuchung umfasst einen Zeitraum von 1995 bis 2006 und legt ihren Schwerpunkt auf die Zeit von 2001 bis 2006, seitdem das Ausschreibungssystem in Frankfurt/Main gestartet wurde und praktiziert wird.
Die Zahl der Fahrgäste stieg zwischen 1995 bis 2006 mit 31 Prozent in Bochum/Gelsenkirchen am stärksten. In Stuttgart erhöhte sie sich um 11 Prozent und in Frankfurt/Main um 5 Prozent. Im Zeitraum von 2001 bis 2006 wuchs die Zahl der Passagiere in Bochum/Gelsenkirchen um 22 Prozent, in Stuttgart um 5 Prozent, während das ÖPNV-Gesamtsystem in Frankfurt/Main keinen Zuwachs aufwies. Das ÖPNV-System in Bochum/Gelsenkirchen mit Direktvergabe an die kommunale Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn (Bogestra) hat nach Auffassung der Forscher am meisten zur Gewinnung neuer Fahrgäste getan.
In der wirtschaftlichen Entwicklung nimmt das ÖPNV-System Stuttgart mit seinem kommunalen Unternehmen Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) den ersten Platz ein. In 20 untersuchten Kategorien, etwa zur Ertrags- und Aufwandssituation sowie zur Kostendeckung und zum Verlustausgleich weist Stuttgart zwölf Mal den besten Wert auf, Bochum/Gelsenkirchen fünf Mal und Frankfurt/Main lediglich drei Mal. So ist zum Beispiel der Verlustausgleich pro Einwohner in Stuttgart von 2001 bis 2006 um 7 Prozent zurückgegangen (von 25,10 € auf 23,44 €), während er dagegen in Frankfurt um 24 Prozent (von 59,58 € auf 73,90 €) und in Bochum/Gelsenkirchen um 17 Prozent angestiegen ist (von 49,19 € auf 57,49 €).
Die Forscher führen die Vorteile der Direktvergabe vor allem auf drei Faktoren zurück:
Die unbestrittenen Kostensenkungen bei einer Vergabe von einzelnen Teilen des Busnetzes an private Anbieter durch niedrigere Tariflöhne würden durch die hohen Kosten der Ausschreibungsorganisation überkompensiert. Diese so genannten Transaktionskosten oder Bürokratiekosten betrugen in Frankfurt, wo die Stadt eine externe Managementgesellschaft mit der Ausschreibung beauftragt hat, im Jahr 2006 allein bei den Personalkosten 5 Millionen Euro. Der von der Stadt Frankfurt aufzubringende Jahresfehlbetrag belief sich laut Geschäftsbericht der Managementgesellschaft auf 8,7 Millionen Euro.
In den beiden ÖPNV-Systemen mit Direktvergabe entfallen die entsprechenden Kosten. Hinzu kommt, dass die interne Restrukturierung in Stuttgart und Bochum/Gelsenkirchen effektiver war als die Privatisierung des Busverkehrs in Frankfurt und die Rationalisierung des reduzierten kommunalen ÖPNV-Unternehmens, der VGF, Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main. Ein wichtiges Motiv für die erfolgreiche Restrukturierung der kommunalen Unternehmen in Stuttgart und Bochum/Gelsenkirchen sehen die Nahverkehrsforscher in der höheren Motivation der dortigen Beschäftigten: „Obwohl es auch dort zu Lohnanpassungen gekommen ist, hat der Zusammenhalt des Unternehmens offensichtlich positive Wirkung gehabt.“
Die Ergebnisse bestätigen den von der Forschungsgruppe in einer vor zwei Jahren vorgelegten Studie aufgezeigten Trend. Damals konnte aufgrund der schmalen Datenbasis, die bis 2004 reichte, nur eine Prognose gegeben werden. Heute könne bei einer Vergabe der Busverkehre in Frankfurt/Main von über 50 Prozent „mit sichereren Daten gearbeitet werden“, betonen Dieter Neth und Hubert Resch.
Die komplette Studie zum Download (pdf): www.boeckler.de/pdf/Transaktionskosten_OEPNV_2006.pdf
Kurzfassung der Studie zum Download (pdf): www.boeckler.de/pdf/pm_mbf_2008_05_15_studie_kurz.pdf
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