Sozialisierung der Banken

Die Linke pocht auf Verfassungsartikel zur Verstaatlichung
Die Linken im Landtag machen sich für einen Verfassungsartikel stark, der den meisten Landespolitikern als überholt gilt. Der umstrittene Artikel 41 der hessischen Verfassung sei „ein aktueller“, sagte die Linken-Wirtschaftspolitikerin Janine Wissler der FR – „aktueller denn je, wenn man sich die Krise der Banken anschaut“.
Vorgesehen ist in dem Passus, dass Unternehmen der Energiewirtschaft, des Schienenverkehrs, Bergbaus und der Stahlerzeugung „in Gemeineigentum überführt“ werden. Großbanken und Versicherungen sollten „vom Staat beaufsichtigt oder verwaltet“ werden. Er wird häufig als „Verstaatlichungsartikel“ bezeichnet. Ziel der Linken sei aber nicht „Verstaatlichung“, weil sie nicht automatisch eine Demokratisierung mit sich bringe, betonte Wissler.
Schutz vor Zerschlagung

Vielmehr strebe die Linke eine „demokratische Kontrolle“ von Energie- und Bahn-Unternehmen an. Zudem müsse das öffentlich-rechtliche System der Sparkassen vor einer Zerschlagung geschützt werden. Das mache die Verfassungs-regel so aktuell.

Landespolitiker hatten den Artikel bisher für ebenso überholt erklärt wie die Todesstrafe, die in der hessischen Verfassung steht (Artikel 21), aber wegen des höherrangigen Bundesrechts nicht gilt. Eine Mehrheit aus CDU, FDP und Grünen wollte beide Passagen in der vergangenen Legislaturperiode aus der Verfassung streichen. Der Kompromiss zur Verfassungsreform scheiterte an der SPD, aber aus anderen Gründen. Sie wehrte sich gegen das Vorhaben, im Zuge der Reform auch spätere Änderungen der Verfassung zu erleichtern. Derzeit ist dafür eine Volksabstimmung notwendig.

FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn regte nach dem Scheitern einen neuen Anlauf an. Die „sozialistischen Verstaatlichungsvorhaben“ müssten aus der Hessen-Verfassung getilgt werden. Doch die anderen Parteien griffen die FDP-Initiative nicht auf.

Das Verhältnis der Landespolitiker zu ihrer Verfassung, die im Jahr 1946 als erste Nachkriegs-Verfassung in Kraft trat, ist gespalten. Einerseits hat sie durch die komplizierte Lage nach der Landtagswahl an Bedeutung gewonnen, setzt sie doch die Regeln für eine geschäftsführende Landesregierung oder für den Weg zu Neuwahlen fest. Zudem klagen SPD und Grüne gegen die Studiengebühren und berufen sich dabei auf die Hessen-Verfassung, die unentgeltliche Bildung festlegt (Artikel 59). In anderen Bereichen aber fielen „Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit“ auseinander, stellte Landtags-Vizepräsident Lothar Quanz (SPD) fest, der die Reformkommission leitete.

Die Linke macht sich diese Zwiespältigkeit zunutze, um sich mit dem Vorwurf der CDU auseinanderzusetzen, sie stehe „nicht auf dem Boden der Verfassung“. Damit meint die Union zwar das Grundgesetz der Bundesrepublik, aber Linken-Politiker geben den Vorwurf gerne mit Verweis auf die hessische Verfassung zurück.

So bemerkte Wissler jüngst in einer energiepolitischen Debatte des Landtags, dass sie mit ihrer Kritik an der Konzentration in der Energiewirtschaft „auf dem Boden der Verfassung“ stehe. Zum Beleg zitierte sie Artikel 41. Die CDU machte daraufhin deutlich, was sie davon hält. Von ihren Bänken schallte zurück: „Die Todesstrafe steht auch drin.“

Von Pitt von Bebenburg
Erscheinungsdatum 13.05.2008
Frankfurter Rundschau
www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1333141

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