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Wie der Staat bei „Public Private Partnership“ (PPP) heimlich alle Risiken übernimmt und sich zusätzlich verschuldet
von Werner Rügemer
Man darf es ohne Übertreibung als eine vordringende Form der Privatisierung charakterisieren, diesen Public Private Partnership (PPP), der in Deutschland auch Öffentlich-Private Partnerschaft (ÖPP) genannt wird. PPP wurde einst in Großbritannien unter der Regierung von Tony Blair kreiert. Der Labour-Premier war mit der Hinterlassenschaft der konservativen Vorgänger Margret Thatcher und John Mayor konfrontiert: Die Verkäufe besonders von Bahn und Wasser an private Investoren zeigten katastrophale Resultate. Bei der Bahn häuften sich Unpünktlichkeit und tödliche Unfälle, beim privatisierten Wasser explodierten die Preise. Da entwickelten Blairs Berater unter Leitung von Schatzkanzler Gordon Brown eine weichere Variante der Privatisierung: PPP. Dabei – so das Argument von Bankern und Wirtschaftsprüfern – werde nichts verkauft, der Staat behalte die Kontrolle.
Bei PPP wird in der Tat nichts verkauft, jedenfalls nicht öffentlich. Bei PPP übernehmen Investoren den Bau oder die Sanierung öffentlicher Gebäude, und sie erledigen auch für 20 bis 30 Jahre den Betrieb und vor allem die Finanzierung. Im Gegenzug verpflichtet sich die öffentliche Hand, 20 bis 30 Jahre lang eine Miete zu zahlen. Obwohl die öffentlichen Kassen „leer“ sind, können nun mit PPP Schulen saniert, Rathäuser, Kindergärten, Messehallen, Hospitäler, Gefängnisse gebaut und betrieben werden. Eine Stadt braucht keinen Kredit aufzunehmen und kann Personal entlassen. Politiker können sich als handlungsfähig darstellen.
Das klingt gut. Deshalb achten auch in Deutschland die Abgeordneten in Stadt- und Kreisräten nicht genau auf das, was sie genehmigen – sie treffen einen Grundsatzbeschluss und ermächtigen die Verwaltung zu Vertragsverhandlungen mit dem Investor. Der Vertrag wird danach nicht mehr zur Entscheidung im Rat vorgelegt. Das gilt auch für einen ausnehmend brisanten Vertragsteil. Er heißt „Forfaitierung mit Einredeverzicht“.
PPP zum Schulden machen
In Mülheim an der Ruhr zum Beispiel soll jetzt ein Investor für 25 Jahre ein neues Medienhaus bauen und betreiben, die Stadt zahlt dafür 25 Jahre lang eine Miete. Die Stadtratsmehrheit hat wie üblich den Vertrag abgenickt, ohne ihn zu kennen. Im Stadtrat sitzt freilich seit einiger Zeit die Fraktion Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI). Die scherte doch tatsächlich aus der Gemeinschaft der Geheim-Demokraten aus und wollte den Vertrag – besonders die Vereinbarung über die „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ – sehen, bevor abgestimmt wurde. Die Oberbürgermeisterin, eine Frau Mühlenfeld von der SPD, der „nebenbei“ im Aufsichtsrat von RWE jährlich 116.000 Euro zustehen, hatte die Unterlagen aber gerade nicht da. Den Volks- und Besserverdiener-Parteien war das egal. Aber weil sie so sehr nachhakten, bekamen die MBI-Stadträte die Vereinbarung nach der entsprechenden Sitzung immerhin nachgereicht.
Jetzt wissen die Abweichler, was „Forfaitierung mit Einredeverzicht“ ist. Sie dürfen aber öffentlich nichts sagen. Die Oberbürgermeisterin hat ihnen eingeschärft, dass hier absolute Geheimhaltung herrscht. Der Investor könnte mit einer Klage wegen Verrats von Betriebsgeheimnissen und wegen Geschäftsschädigung vor Gericht gehen. Doch braucht man den Wortlaut der Mülheimer Vereinbarung mit dem französischen Großinvestor SKE Facility Management gar nicht zu kennen, denn die Standardformulierungen hochbezahlter Anwälte sind überall gleich.
„Forfaitierung mit Einredeverzicht“ geht so: Nach der Unterschrift der Oberbürgermeisterin – sie ist die Chefin der Verwaltung – geht der Investor mit dem Mietvertrag zu seiner Bank und verkauft ihr die Mietforderungen. Die Bank schätzt den Gesamtwert der Mieten für die gesamte Laufzeit, in Mülheim also für 25 Jahre. Die Bank zahlt dann an SKE Facility Management den Gesamtbetrag sofort aus, mit gewissen Abzügen. Das ist die „Forfaitierung“ (von französisch forfait = Pauschale).
Im Gegenzug zahlt die Stadt Mülheim die Miete nicht, wie gerade im Stadtrat beschlossen, an den Investor, sondern an die Bank. Die Stadt verpflichtet sich dabei, pünktlich immer die volle Miete zu zahlen, unabhängig davon, ob der Investor beim Bau und Betrieb des Medienhauses mangelhaft arbeitet oder gar pleite geht. Das ist der „Einredeverzicht“.
Die Stadt nimmt somit formal nicht selbst einen Kredit auf. Sie verkauft zwar zunächst tatsächlich nichts, aber der Investor verkauft den Mietvertrag. Deshalb zahlt die öffentliche Hand dann real doch einen Kredit zurück, nämlich den vom Investor aufgenommenen. Die langjährige Zahlungsverpflichtung verwandelt sich so in eine verdeckte Kreditaufnahme. Die öffentliche Hand verschuldet sich auf diesem Umweg doch, und sie verschuldet sich noch viel mehr, als wenn sie selbst in bisheriger Weise einen günstigen Kommunalkredit aufnehmen würde. Und sie übernimmt praktisch alle Risiken des Investors bis hin zu dessen Insolvenz.
PPP zum Modell erheben
Zum Einredeverzicht gehört übrigens auch, dass die Bank den Vertrag an andere Finanzinstitute weiterverkaufen kann. So werden aus Mietverträgen Finanzprodukte. Hier erschließt sich der Sinn von PPP: Hier wird nicht, wie öffentlich versprochen, „privates Kapital mobilisiert“, um trotz leerer Kassen öffentliche Aufgaben zu erledigen. Mit PPP schöpft vielmehr der Investor neues Kapital für sich selbst und kann damit auf globale Einkaufstour gehen. Die Bank ihrerseits kann solche Verträge als Finanzprodukte auf den Markt werfen. Das ist heute üblich.
Das war beispielsweise mit den Mietverträgen privater Hauskäufer in den USA der Fall. Die Verträge, vorzugsweise solche, bei denen die Rückzahlung nicht sicher war, wurden gebündelt und weiterverkauft. Natürlich lässt sich eine Situation vorstellen, dass auch die Verträge wie in Mülheim zu einer Finanzkrise führen, wenn in ein paar Jahren die Städte ihre vielen PPP-Mieten nicht mehr bezahlen können oder wollen. Dann muss doch wieder – so verlangen die Finanzakteure – der Staat einspringen.
Übrigens hat die Kommunalaufsicht in Düsseldorf dem Mülheimer Vertrag schon zugestimmt, wie in anderen Fällen auch. Die MBI-Fraktion hat den NRW-Landesrechnungshof eingeschaltet und bittet freundlich um Stellungnahme: Ist dieser Einredeverzicht nicht sittenwidrig und gefährlich? (s. www.mbi-mh.de) Die Antwort steht aus.
PPP ist somit keine „Partnerschaft“, sondern eine einseitige Gewinnversicherung der Privaten. Das englische Exportprodukt PPP wird inzwischen auch von der EU gefördert, etwa durch günstige Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB). PPP wurde 2003 durch SPD und Grüne unter Gerhard Schröder zum Regierungsprogramm in Deutschland und wird auch von der derzeitigen Regierung unter Angela Merkel forciert. Im Bundesministerium für Bau, Verkehr und Wohnungswesen und in den Landesregierungen sollen task forces PPP/ÖPP vorantreiben. Die Bertelsmann-Stiftung unterstützt ein bundesweites PPP-Netzwerk. 2005 beschloss der Bundestag mehrheitlich das PPP/ÖPP-Beschleunigungsgesetz – ein PPP/ÖPP-Vereinfachungsgesetz wird vorbereitet.
http://www.freitag.de/2007/36/07360401.php