Und mit folgendem Diskurs zementieren die Konservativen die Idee vom Eigentum. Hier die eher platte Version der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:
Warum und wozu verpflichtet Eigentum?
Von Rainer Hank (FAS 8.4.07 S.54)„Mein“ und „Dein“ sind gar nicht so leicht auseinanderzuhalten. Wäre es einfach, würden die Kinder im Sandkasten nicht so laut brüllen. Und manche Leute meinen, die Welt wäre besser und gerechter, wenn es die Unterscheidung von „Mein“ und „Dein“ gar nicht gäbe. Dann stünde allen Menschen alles gleichermaßen zur Verfügung, gemäß ihren Bedürfnissen.
Historisch jedenfalls gehört die Vorstellung privaten Eigentums spätestens seit der jüngeren Steinzeit zu den Grundüberzeugungen vieler Völker. Kleider, Schmuck und Waffen, Dinge also, die für die persönliche Existenz eines Menschen unentbehrlich sind, stehen nicht beliebig jedermann zur Verfügung. Das persönliche Eigentum wurde für so wichtig angesehen, dass es den Menschen mit in ihr Grab gegeben wurde (was wiederum die Voraussetzung dafür ist, dass Archäologen etwas über die Geschichte des Eigentums wissen können).
Aber was ist eigentlich Eigentum? Der physikalische oder geistige Gegenstand selbst kann es nicht sein. Denn der Apfel in meiner Hand oder der Satz, den ich gerade schreibe, könnte ja von anderen geklaut sein. Und der Ring an meinem Finger könnte längst verpfändet sein. Der Begriff des Eigentums ist abstrakter, als er scheint. Die überzeugendste Definition stammt von dem französischen Ökonomen Frédéric Bastiat (1801 bis 1850). Danach ist Eigentum eine Rechtsbeziehung zwischen Personen in Bezug auf Sachen. In einem Haus, welches mir gehört, habe ich das Recht, zu beherbergen, wen ich will (oder nicht). Eine Aktie, die mein Eigentum ist, gibt mir das Recht, die Dividende zu kassieren, die sie abwirft. Und sie gibt mir zugleich die Möglichkeit, das Papier an andere zu verkaufen, wenn ich mit der Kursentwicklung nicht mehr zufrieden bin. Eigentum regelt Besitzansprüche und verleiht Anrechte. Was will man mehr in einem Rechtsstaat?
Kein Wunder, dass das Recht auf privates Eigentum sowohl den neuzeitlichen Staat begründet als auch den Kapitalismus ermöglicht. Nach John Locke (1632 bis 1704) vereinigen sich die Menschen nur deshalb zu einem Staat, um gegenseitig ihr Leben, ihre Freiheit und ihre Güter zu sichern. Wer, wenn nicht der Staat, sollte mittels Polizei und Gefängnissen eine Eigentumsordnung garantieren, wenn in einem Land Diebe und Plünderer umgehen? Das Privateigentum ist ein Recht menschlicher Freiheitsausübung, welches die Menschen selbst nur durch den Staat sichern können.
Doch es ist verflixt: Als Garant der freiheitlichen Eigentumsordnung nimmt der Staat sich zugleich das Recht heraus, in das Eigentum seiner Bürger empfindlich und mit Zwang einzugreifen. Denn nichts anderes als eine (Teil-)Enteignung bedeutet es, wenn der Fiskus den Bürgern ihr Geld wegnimmt und diesen Gewaltakt verharmlosend Steuern nennt. Würde der Staat ihnen sämtliche Früchte des Erfolgs wegsteuern, hätte er sich freilich auch die eigene Existenzgrundlage untergraben. Jeder Anreiz der Menschen, ihr Eigentum zu mehren, wäre dahin.
Das zeigt: Die Erwartung, von seinem Kapital einen Profit zu erhalten, die wichtigste Triebfeder einer Marktwirtschaft, beruht auf dem Recht auf Privateigentum. Nur wo Eigentum rechtlich garantiert wird, sind Menschen bereit, Ideen umzusetzen, Geld zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Eigentum schaffe Wohlstand, wusste schon Adam Smith (1723 bis 1790). Wo Eigentum nichts gilt, wäre unternehmerisches Handeln töricht.
Der peruanische Ökonom Herando de Soto fügt hinzu: „Privateigentum fördert per se das Gemeinwohl.“ Eine Marktwirtschaft braucht nicht nur Geld, sie braucht auch eine Rechtsordnung, sonst kommt sie nicht in Schwung. Zum Beweis deutet de Soto auf die Länder der Dritten Welt, wo zwar häufig Kapital in beträchtlichem Umfang vorhanden ist, aber das Vertrauen fehlt, dass unternehmerisches Handeln sich lohnt.
Eigentum verpflichtet die Menschen, ihre Freiheitsrechte aktiv umzusetzen. Doch der Satz „Eigentum verpflichtet“ wird in Deutschland zumeist ganz anders gedeutet. Im Grundgesetz stehen in Artikel 14 jene Sätze, die jeder Schüler im Sozialkundeunterricht lernt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Doch was ist damit gemeint? Ist dem Wohl der Allgemeinheit durch einen Spitzensatz der Einkommensteuer von 42 Prozent Genüge getan? Braucht es eine zusätzliche Reichensteuer? Müssen die Vorstandsgehälter durch ein Gesetz gekappt werden? Oder müssen gar Schlüsselindustrien sozialisiert werden?
Unter Berufung auf das Allgemeinwohl ist alles möglich. Denn Allgemeinwohl ist ein Wieselwort, in das sich alles hineininterpretieren lässt. Das Privateigentum konnte hierzulande noch nie ganz sicher sein. Immer drohte die Enteignung – vermeintlich im Interesse übergeordneter Gemeinwohlinteressen. Die Väter des Grundgesetzes stemmten sich gegen Vorstellungen der Kommunisten, wonach der Missbrauch des Eigentums zur Begründung wirtschaftlicher und politischer Macht bereits ein Anlass zur Enteignung hätte sein können. Aber den latenten Sozialismus der Gemeinwohlorientierung wollten 1948 auch die Konservativen nicht tilgen.
Auch das hat historische Gründe. Im Gegensatz zum römischen Recht, das einen strengen Begriff des Privateigentums kennt, hielten die nördlich der Alpen lebenden Germanen lange am Familieneigentum und Gemeindeeigentum fest. Im Familieneigentum stand die Hufe (huba), zu der die Wohngebäude mit Zubehör und Ackerfläche gehörten, während Brachland, Weide und Gewässer als Allmende im Eigentum der Gemeinde allen zugleich zur Verfügung standen.
„Die Kritik an einer liberalen Eigentumsordnung gehört in Deutschland zum Arsenal antiwestlicher Effekte“, sagt Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Warum? Weil das Recht auf Privateigentum für viele Menschen die Sünde der Ungleichheit in die Wirtschafts- und Sozialordnung gebracht hat. Wer an die Utopien von Jean-Jacques Rousseau glaubt, wonach im Urzustand alle Menschen gleich waren, für den setzt mit der ungleichen Verteilung von Grund und Boden die Abstiegsgeschichte der Zivilisation ein. Kein Wunder, dass kommunistische Träume das abendländische Denken seit dem Urchristentum beherrschen. Wo die Menschen diese Utopien umsetzten, ging immer alles schief: Das Eigentum war nichts mehr wert, und der Wohlstand schwand dahin.