Die entscheidende Frage ist, ob Verbraucher und Gesetzgeber ein Mindestmaß an Wasser, Elektrizität und Wärme als Teil des Rechts auf menschenwürdiges Leben ansehen, das die Verfassung jedem garantiert.
Der belgische Sozialist und Umweltminister Bruno Tobback hat in Belgien ein System eingeführt, das die OECD als weltweit bestes Modell sozialen Ressourcen-Managements bezeichnet. Beispiel Wasser: Jeder bekommt pro Kopf eine Mindestmenge kostenlos. Der Verbrauch über dieses Mindestmaß hinaus ist dagegen sehr teuer und finanziert den Verbrauch der Mindestmengen insgesamt (den der Armen und der Reichen) mit.
Dieses System hat vier Vorteile:
-Niemandem wird Strom oder Wasser abgestellt, die Mindestmenge für menschenwürdiges Leben ist garantiert.
-Da höherer Verbrauch sehr teuer ist, enthält das System einen starken Anreiz zu ressourcenschonendem Verhalten.
-Da Arme innerhalb des Kontingents nicht belastet werden, ist es möglich, nach und nach alle Umweltkosten in die Preise zu internalisieren.
-Das System erfordert keinerlei bürokratischen Aufwand, sondern würde die Ämter in Deutschland vermutlich sogar entlasten.
Sowohl sozial- als auch umweltpolitisch ist die Einführung dieses Modells sehr wünschenswert. Wenn es im Zuge der Hartz-Gesetze politisch möglich war, Höchstgrößen für Wohnungen festzulegen, dann sollte es ein Leichtes sein, Mindestmengen für Wasser, Strom und Wärme festzulegen und für alle dauerhaften Zugang sicherzustellen.
Übrigens sollte man auch überlegen, ob die zunehmende Zahl isoliert lebender Menschen einen kostenlosen Festnetzanschluss in allen Wohnungen notwendig macht, damit alte Menschen, Verletzte oder Kinder zumindest einen Notdienst rufen können. Bei erwiesener Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit kann man technisch alle anderen Wahlmöglichkeiten außer dem Rettungsdienst kappen. Die deutsche Gesellschaft altert, aber anders als heute werden in 20 Jahren unter den Alten sehr viele Arme sein. Menschen, die sich kein Handy leisten können. Viele 40- bis 60-Jährige leben zudem gewollt oder ungewollt heute so, dass sie absehbar im Alter ohne Verwandte und sogar ohne engen Freundeskreis sein werden. Die Zahl isolierter Menschen wird zunehmen: Selten gesehene Hausbewohner, bei denen niemand bemerkt, dass ihre Situation auf Grund der Entscheidung profitorientierter Versorgungswerke immer „prekärer“, d. h. menschenunwürdiger wird.
FR vom 23.12.2006