Was Berliner Hochschulmediziner bei der Fusion ihrer Klinika durchgemacht haben, will der Wissenschaftsrat Münchner Ärzten offenbar ersparen. Von der seit einiger Zeit diskutierten Zusammenlegung der beiden medizinischen Fakultäten der Technischen Universität (TUM) und der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) rät er ab. „Eine Fusion kann ein irritierender Prozess sein“, sagte der Vorsitzende des Rats, Karl Max Einhäupl gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin, bei der er die Ergebnisse der Herbstsitzungen seines Politikberatungs-Gremiums vorstellte. Der Rat plädiere jedoch dafür, die zwei Standorte des LMU-Klinikums auf dem Campus des Klinikums Großhadern zusammenzulegen.
Dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin gab der Wissenschaftsrat durchweg gute Noten. Es habe die Empfehlungen der letzten Evaluierung 1997 zum großen Teil umgesetzt und sich zu einer national und international anerkannten Institution auf dem Gebiet der Vorbeugung und Kontrolle von Infektionskrankheiten entwickelt.
Der Wissenschaftsrat hat sich zudem mit einem Novum in Deutschland befasst: der Privatisierung einer Universitätsklinik, wie sie in Hessen bei den seit kurzem fusionierten Universitätsklinika in Gießen und Marburg ansteht. Der Rat hat nun Voraussetzungen formuliert, die ein privates Klinikum erfüllen muss, um Unterstützung im Rahmen des Hochschulbauförderungsgesetzes er erhalten. Einhäupl und seinen Kollegen geht es vor allem um Befugnisse im Bereich Forschung und Lehre. Um zu sicherzustellen, dass die Geschäftsführung nicht zum Nachteil von Forschung und Lehre entscheidet, schlagen sie ein Stimmrecht des Dekans in der Geschäftsführung vor. Außerdem soll das Land Hessen das Fächerspektrum gesetzlich festschreiben und die Sicherheit der klinischen Ausbildungsplätze garantieren.
Die hessische Landesregierung hatte im Dezember 2004 beschlossen, die Klinika im Marburg und Gießen vollständig zu privatisieren, weil es an Geld für dringend notwendige Investitionen mangelte. Allein in dem maroden Gießener Universitätsklinikum werden schätzungsweise 200 Millionen Euro für eine Sanierung benötigt.
Einhäupl befürchtet, dass das Beispiel Schule machen könnte und sich nun noch weitere Bundesländer dazu entschließen, ihre Universitätsklinika zu verkaufen. „Das ist verlockend für die Länder. Viele der Kliniken befinden sich in einem desaströsen Zustand und müssen dringend saniert werden“, sagte er. Er sei zwar durchaus offen für Experimente und halte Modelle, in denen sich private Investoren engagieren, für zukunftsträchtig. Eine flächendeckende Privatisierung findet er jedoch problematisch. „Was das für Schwierigkeiten mit sich bringt, wird man vielleicht erst in zehn Jahren sehen“, sagte Einhäupl.
Einige Vereinbarungen des gerade abgeschlossenen Koalitionsvertrags von CDU/CSU und SPD heißen Einhäupl und seine Kollegen nicht gut. Sie kritisieren vor allem, dass der Anteil des Bundes am Hochschulbau schrittweise auf Null reduziert werden soll. „In weniger reichen Ländern wird es enorm schwierig werden, Geld für den Hochschulbau zu bekommen“, glaubt Einhäupl. Auch die insgesamt geschrumpfte Zuständigkeit des Bundes im Hochschulbereich sehen die Experten kritisch. Sie fürchten, dass die Hochschullandschaft zu einem Flickenteppich mit stark abweichenden Regelungen wird, hoffen aber bei der Realisierung der neuen Gesetze noch Nachbesserungen erwirken zu können.
Anne Brüning
Berliner Zeitung, 15.11.2005