Das Ende schien nahe. Alle Post-Aktien, fast alle Telekom-Aktien und praktisch den kompletten sonstigen Beteiligungsbesitz hatte Bundeseichel bereits verscherbelt. In der Tafelsilber-Schublade lag nur noch die etwas angestoßene Bahn und da und dort eine Kaserne samt Truppenübungsplatz. Aber sonst – Ende Gelände.
Von wegen. Peer Steinbrück ist noch nicht mal als Bundesfinanzminister vereidigt, da findet er neben der Schublade mit dem Tafelsilber die mit dem Tafelgold. Und ganz obenauf darin liegen 127 Mrd. Euro auf einmal für den Verkauf des Autobahnnetzes. Super! Damit ließe sich locker ein ganzes Jahr lang der ostdeutsche Transferbedarf finanzieren. Zu dumm nur, daß auch die nächste Regierung bis zum Beweis des Gegenteils nicht ein, sondern vier Jahre halten soll. Deshalb sollten wir lieber heute schon mal nachschauen, was da in dieser Schublade noch an Vermögenswerten liegt, die man verbraten könnte.
Hedge- und sonstige Fonds würden sich wohl am ehesten für die deutsche Forschung interessieren. Die Universitäten sind zwar Eigentum der Länder und damit dem steinbrückschen Zugriff entzogen, aber dann bleiben immer noch die Max-Planck- und die Fraunhofer-Institute, plus diverser Spezialeinrichtungen wie das Heidelberg Krebsforschungszentrum, die Darmstädter Gesellschaft für Schwerionenforschung und die Stiftung Warentest.
Vermutlich würde aus der hiesigen Industrie daraufhin heftige Kritik am Ausverkauf Deutschlands ertönen. Dieser könnte Steinbrück am besten begegnen, indem er für den als nächstes anstehenden Verkauf des Bundeskartellamts nur deutsche Offerten zuläßt – und dann genüßlich dem Bietergefecht zwischen E.on und RWE zusieht.
Für den Fall, daß sich dann die USA über den deutschen Protektionismus beschweren, könnte Steinbrück ihnen wiederum exklusiv den Kauf des Bundesnachrichtendienstes anbieten. Wenn unsere Schlapphüte schon Pullach verlassen müssen, ist es ja eigentlich egal, ob sie nach Berlin oder in die USA ziehen.
Die genialste Lösung wäre es natürlich, die neuen Bundesländer wieder zu verkaufen. Na, vielleicht nicht alle auf einmal, aber man könnte ja klein anfangen – mit der Uckermark zum Beispiel. Als Käufer kämen unter anderem ehrbare russische Oligarchen in Frage, die dort ein Endlager für ehemalige Geschäftsfreunde einrichten könnten, oder Arbeitsplätze für streb- und fügsame Gunstgewerblerinnen schaffen. Die Gewerbeaufsicht dürften sie dann ja völlig legal selbst ausüben.
Amerikanische Investoren hingegen könnten sich dafür interessieren, die scheinbar unattraktive Region im Nordosten Brandenburgs in 23 Fürstentümer aufzuteilen, die sie dann inklusive Adelstitel und garantiert echtem, von Peer dem Großen verliehenen Wappen an kalifornische Softwaremilliardäre weiterverkaufen.
Und wenn das immer noch nicht reichen sollte, um den Staatshaushalt wieder maastrichtkonform zu gestalten, gäbe es da noch die traditionelle hessische Lösung des Verkaufs von Volksvermögen: den Verkauf von Volk. Bekanntlich hatten ja die hessischen Kurfürsten im 18. Jahrhundert ihre Landeskinder in schmucke Uniformen gesteckt und an die damalige Supermacht Großbritannien verkauft, die sie zum Wohle der fürstlichen Kasse im Kampf gegen die rebellischen Kolonien in Nordamerika verheizte. Wer weiß, vielleicht fühlt Steinbrück schon mal bei Condoleeza Rice vor, was die USA für eine Kompanie Kanonenfutter an der irakischen Front zahlen würden.
Kolumne von Detlef Gürtler
Quelle: Die Welt, 22.10.2005 >>> http://www.welt.de/data/2005/10/22/792279.html